Einverstanden mit dem Unverstehbaren – Maria von Nazareth

Maria von Nazareth war schon jung Mutter Jesu geworden, weil Gott beschlossen hatte, in ihrem Kind menschliche Gestalt anzunehmen. Die Einmaligkeit ihres Lebens bestand darin, dass sie im Schnittpunkt zweier Wirklichkeiten stand, der irdischen und der himmlischen.

Aus der Bibel kennen wir nur wenige Szenen ihres Lebens. Dafür nimmt in der Kirche vor allem seit dem Mittelalter ihre Verehrung immer größeren Raum ein – als die „wunderschön prächtige, hohe und mächtige, himmlische Frau“, wie es in einem Marienlied heißt. Doch ist es auch hilfreich, neben der himmlischen auch die „irdische Frau“ näher zu betrachten. 

Im apokryphen, also von der Kirche nicht in die Bibel aufgenommenen, Jakobusevangelium wird etwa berichtet, dass Maria am Jerusalemer Tempel ausgebildet wurde. Mit welchem „Interesse“ die junge Frau aus Jerusalem von den Dorfbewohnern beobachtet wurde. Keine einfachen Bedingungen. Und mitten hinein die Nachricht: Schwanger! Und zwar „aus heiterem Himmel“ – im wahrsten Sinne des Wortes. Einerseits auserwählt, als „Gesegnete unter den Frauen“ den so lang ersehnten Messias des Volkes Israel zur Welt zu bringen. Andererseits: Schwanger ohne Mann? Das Lukasevangelium erzählt, dass Josef sich überlegt hat, sie zu verlassen. Wie gut, dass da Gott nochmal mit einem Engel intervenierte!

Die Tradition sieht gerne nur die eine Seite: das Glück ihrer Erwählung. Aber vor dem Verlobten zu stehen und zu sagen: der Heilige Geist war’s – das war vermutlich nicht einfach. Wie ging sie damit um? Oft mag Maria sich gefragt haben: Warum? Warum so seltsam, so mühsam? Mein Gott, ich verstehe dich nicht. Um dann vielleicht hinzuzufügen: Aber ich habe zugestimmt, weil ich dir vertraue.

In der Folgezeit hören wir von Maria nur noch in Szenen, wo sie auf schmerzliche Weise erlebt, wie sich ihr Sohn von ihr entfernt: Zum Beispiel bei der Hochzeit zu Kana: „Frau, was habe ich mit dir zu tun? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ „Frau“, nicht „Mutter“. Und vielleicht hat sie auch gehört: Misch dich nicht in meine Angelegenheiten. Zuzusehen, wie das Kind einen eigenen Weg geht, den man (noch) nicht versteht:  Sicher tat es weh. Und wahrscheinlich spürte sie das „Schwert“ in ihrer Seele, von dem der alte, fromme Simeon im Tempel vor 30 Jahren gesprochen hatte. Doch der Sohn sorgt für sie noch vom Kreuz herab: „Frau, siehe deinen Sohn“ – der jetzt Johannes heißt.

Eine Zusage auch für uns

Marias Weg war ein außergewöhnlicher, ihre Situation einmalig.  Woher nahm sie die Kraft und die Einsicht, ihr Leben und ihre Rolle nach und nach aus einer anderen Perspektive zu sehen? Sicher kannte sie die Schriften des Alten Testaments sehr gut und wusste, was Gott von Abraham, Moses und den Propheten verlangt hatte. Sicher hatte sie auch die Worte des Anfangs noch im Ohr, als der Engel ihr gesagt hatte: “Dominus tecum - Der Herr ist mit dir.“ Das hieß ja, dass Gott, Jahwe, der Ewige, sie bei diesem außergewöhnlichen Auftrag nicht allein ließ, dass er an ihrer Seite war. Der Glaube an diese Zusage, die jedem von uns gegeben ist, kann ein Leben verändern.                                                                                                                                                

Ihre Antwort darauf war: Fiat mihi – mir geschehe, wie du gesagt hast. Diese Haltung fand ich – lang ist‘s her – bei den Beatles mit ihrem berühmten „ Let it be…“ ganz  treffend wiedergegeben. Let it be heißt für mich: Lass es zu, was auf dich zukommt, nimm es an, wenn es sein muss, und lass los, halte nicht fest, was sich wandeln will; nicht die alten Rollenvorstellungen, nicht die alten Gottesbilder, Nimm dir die Freiheit, weiterzugehen, Grenzen zu überschreiten, und gib Gott die Möglichkeit, dich zu verwandeln und auf neue Wege zu führen.

 

Text: Maria Singer, Gefährtin Mary Wards
Foto: Congregatio Jesu, Nymphenburg