Weihnachtsbrief 2019: Gesegnetes Fest

An die
Schwestern und Gefährtinnen der Mitteleuropäischen Provinz

© Monika Müller-Schauenburg

 

Liebe Schwestern,
liebe Gefährtinnen,

so ein Weihnachtsbild wünscht sich niemand. Da kommt nichts rüber, was sich mit Kerzen und Tannengrün verträgt. Nichts Schönes, nichts Weiches – jedenfalls auf den ersten Blick. Stattdessen nur Fragen: Ist das eine Kunstinstallation oder hat sich da jemand einen Scherz erlaubt? Wenn Kunst, hat der Künstler dann auch Wand und Baum besprüht, oder hat er seine Figur dorthin platziert, weil es ihm passend schien?

Ich habe das Zeichen am Baum gegoogelt. Es ist nicht das Peace-Zeichen, wie ich dachte, denn das hat das umgedrehtes Y im Kreis. Dieses Zeichen erschien in einer Reihe von sogenannten Gaunerzinken, angebracht an Briefkästen oder Häuserwänden, mit denen sich Einbrecher verständigen, ob es in diesem Haus etwas zu holen gibt. Das X im Kreis bedeutet: Hier gibt es nichts zu holen.

Und was ist mit den Säcken? Waren die schon vor der Marienfigur am Platz? Es scheint ein Abfallhaufen zu sein? Schaumstoff? Brot?

Ich schreibe diesen Brief am Sonntag Gaudete. Freuet euch! Auch dazu passt das Bild scheinbar nicht. Wir spüren die Kälte, die Tristesse. Maria mit ihrem Kind liegt wie ein Fremdkörper auf dieser Bank im Ambiente einer winterkalten Stadt. Sie liegt dort ausgesetzt der Kälte und einer möglichen Besudelung oder Zerstörung. Aber wir reden von Weihnachten. Da kam ein Kind in die Welt, das genauso dem ausgesetzt war, was andere mit ihm tun, Gutes und Heilsames oder Zerstörendes. Kein Garantie-schein, keine Lebensversicherung, einfach nur angewiesen sein auf andere.

Aus dem Exerzitienbuch: Die Geschichte der Sache herbeibringen, die ich zu betrachten habe: wie die drei göttlichen Personen die ganze Fläche oder Rundung der ganzen Welt voller Menschen schauten und wie … in ihrer Ewigkeit beschlossen wird, dass die zweite Person Mensch werde, um das Menschengeschlecht zu retten…(EB 102)

Das göttliche Kind ist nicht geboren worden, weil es in die Welt passt. Es ist geboren worden, um der Welt einen dauerhaften Kontrapunkt einzupflanzen, eine Richtung, ein Ziel, auf das hin es sich auszurichten lohnt. Wir werden die Welt des Jesaja, wo Löwe und Rind zusammen weiden und Kind und Schlange sich vertragen, nie erreichen. Wir werden die Welt, wie sie Jesus vor Augen steht, nie verwirklichen, aber wir können und sollen daraufhin unterwegs bleiben. Wir können und sollen Suchende bleiben, aufmerksam sein auf Ungerechtigkeit, wahrnehmen, wo Menschen Kontrapunkte setzen und auch selbst da und dort unseren Kontrapunkt, unser Kontra-Verhalten einbringen. 

Gaudete – freuet euch, weil sich Gott in Jesus Christus dieser Welt eingepflanzt hat, weil er da ist, weil er in vielen Menschen wirkt, die Kontrapunkte setzen. Was dachte sich der Künstler, als er seine Figur dort auf die Bank legte? Ist sie nicht ein Kontrapunkt? Macht er nicht aufmerksam auf eine Welt hinter der sichtbaren Welt? Deutet sich hier nicht ein 'Dennoch' an, eine Freude, die sich nicht an bestimmte glückliche Umstände knüpft, sondern die tiefer reicht, weil die Gewissheit da ist, dass diese Welt im Letzten von Gott gehalten ist, weil Gott sich nicht abschrecken lässt, Menschen zu ermutigen, Kontrapunkte zu setzen?

Und das Zeichen am Baum? Ja, es ist richtig. Hier gibt es nichts zu rauben. Hier kann man nur beschenkt werden, hier ist alles umsonst. Gaudete – Freuet euch!

Ein frohes und gnadenreiches Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr 2020.

Herzliche Grüße
M. Sabine Adam CJ
Provinzoberin