Eindrücke aus zwei Jahren in der Jugendarbeit

So bunt wie das Leben…

Am 7. November 2018 haben die Delegierten der Stadtversammlung des BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) in Nürnberg Sr. Magdalena Winghofer CJ mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit als Präses wiedergewählt. Aus diesem Anlass berichtet Sr. Magdalena über ihre Arbeit in den vergangenen zwei Jahren:

Das erste sind: Gesichter!

Wenn ich an die vergangenen zwei Jahre zurückdenke, geht es mir fast wie nach den ersten Wochen: Ich habe noch nie in so kurzer Zeit so viele Menschen kennengelernt!

Beim Ministrantentag 2018 in Nürnberg

Und so sehe ich im Rückblick zu allererst Gesichter vor mir. Vor allem natürlich junge Gesichter: Junge Menschen, die sich oft mit großem Einsatz ehrenamtlich engagieren in den Jugendverbänden, in den Jugendleiter*innen-Schulungsteams, als Ministrant/innen und Oberministrant/innen,… Junge Menschen, mit denen ich gemeinsam Gottesdienste, Aktionen, Wochenenden, Großveranstaltungen planen und durchführen durfte. Und nebenbei haben wir uns kennengelernt, viel voneinander erfahren – nicht selten nach getaner Arbeit in der Küche, in der Kneipe,… Es freut mich sehr, dass mit vielen ein Vertrauensverhältnis gewachsen ist und ich Anteil nehmen darf an Freud und Leid ihres Lebens und ihnen zur Wegbegleiterin werden konnte. Und so sehe ich auch junge Menschen in vielfältigen schwierigen Situationen vor mir, in den Sitzsäcken in meinem Büro oder auch andernorts. Es sind vielleicht diese Momente, in denen ich am unmittelbarsten als „Seelsorgerin“ tätig war. 

Neben den jungen Gesichtern sind da auch Gesichter von Kolleg/innen in der Jugendarbeit und Pastoral, mit denen ich über Jugendarbeit nachgedacht habe, gemeinsam Projekte entwickelt und manchmal vor Ort Unterstützung geleistet habe. Es macht auch mir Mut, engagierte und kompetente Kolleg/innen kennenzulernen und mit ihnen gemeinsam weiter zu denken.

Hinzu kommen Gesichter aus der vielfältigen Vernetzungsarbeit, die eine meiner wesentlichen Aufgaben darstellt: Gesichter evangelischer Kolleg/innen, mit denen ich mich sehr gut verstehe und vieles gemeinsam mache. Junge Gesichter aus der islamischen Gemeinde, die zusammen mit „unseren“ Jugendlichen einmal im Quartal zum TeaTime einladen. Gesichter aus kommunalen Arbeitskreisen, Schulen, Einrichtungen,… 

Interreligiöser Dialog

Die Zukunft ist im Netzwerk

In diesen zwei Jahren ist mir sehr deutlich geworden: Jugendarbeit hat nur im Netzwerk Zukunft. Denn schon im katholischen Bereich gibt es eine riesige Vielfalt an Jugendarbeit: 

Da gibt es natürlich die klassische verbandliche Jugendarbeit, für die ich als Präses gewählt bin – DPSG und PSG, KjG und Kolping,… Da gibt es die klassische nichtverbandliche Jugendarbeit, für die ich als Stadtjugendseelsorgerin verantwortlich bin: Ministrant/innen und Oberministrant/innen, Kooperationen in der Firmpastoral, Freizeiten, Wochenenden und spirituelle Angebote. 

Aber da gibt es schon jetzt auch eine Fülle von Initiativen jenseits der diözesan verfassten kirchlichen Strukturen – von YoungCaritas über Nightfever bis zur Jugendarbeit neuer geistlicher Gemeinschaften. 

Sie alle im Blick zu haben, Kontakt aufzubauen, zu halten und Vernetzungen zu schaffen ist mir ein wichtiges Anliegen – weil ich überzeugt bin, dass wir (nur) gemeinsam stark sind.

Eine bunte Palette von Veranstaltungen

Neben den Gesichtern kommen mir im Rückblick Eindrücke von Veranstaltungen: 

Die jährliche Jugendosternacht zum Beispiel, immer an einem besonderen Ort. So waren wir in diesem Jahr entlang der Exodusgeschichte auf dem Gelände des Nürnberger DB-Museums zwischen Schienen, Signalen, Bahnsteig, Kessel und Weichen unterwegs. 

Jugendosternacht 2018

Die vorausgehende Osterrosen-Aktion, bei der wir am Gründonnerstag über 17.000 Rosen in Nürnberg zugunsten eines sozialen Projekts ausfahren – es ist jedes Mal ein besonderes Erlebnis, einen Transporter voller duftender Rosen durch die Stadt zu fahren… 

Die Jugendleiter/innenschulungen, bei denen ich dreimal im Jahr einige Tage mit Jugendlichen zusammen verbringe, Handwerkszeug zum religiösen Arbeiten vermittle und zugleich selber viel lerne – beispielsweise neue Spiele und WUPs… und Begriffe aus der Jugendsprache. 

Bei einer Jugendleiterschulung

Das Nürnberger Spielefest im Kontext der Spielwarenmesse samt zugehörigem ökumenischen Gottesdienst, bei dem wir live in ein Spiel einsteigen und von dort aus Leben und Glauben neu entdecken. Gerade wird der nächste Spielraum-Gottesdienst mit der Frage, wo und wie Gott zu finden ist, unter dem Motto „Gottland Yard – auf der Suche nach Mister X“ vorbereitet. 

Ökumenisch ist auch die große junge Nacht der Lichter immer am Abend des Christkönigssonntages, die nun vor der Tür steht. 

Zu den regelmäßigen Veranstaltungen kommen einmalige Highlights – so darf ich im kommenden Jahr mit einer Gruppe zum Weltjugendtag nach Panama fliegen, und im Mai steht die nächste 72h-Aktion an, die größte Jugend-Sozialaktion. 

Herzens-Projekte

Und dann gibt es die Angebote, die in diesen zwei Jahren neu gewachsen sind und die mir sehr am Herzen liegen: 

Nach einem ersten Versuch mit Alltagsexerzitien für Jugendliche und Junge Erwachsene in der Fastenzeit 2017 entwickeln wir nun schon das zweite Mal eigene Materialien für diese Zielgruppe – ein Projekt mit weit größerem Erfolg als gedacht; unser Postkartenblock wird gerade für 2019 zum zweiten Mal mit einer Auflage von 1.000 Stück gedruckt. Ergänzt wird dieses Fastenzeit-Angebot durch die Adventsimpulse über Social Media, v.a. WhatsApp. Und seit diesem Jahr ist in den Pfingstferien eine spirituelle Bergfreizeit unter dem Titel „Berg & Mehr“ im Angebot, die auch für mich als „Berghasen“ fast eine Urlaubswoche ist.

Unterwegs in den Bergen

Was noch dazu gehört

Gesichter, Lebenswege, Glauben kennenlernen und ausprobieren, bunte Veranstaltungen – all das macht mir sehr viel Freude an meinem Einsatz. Und auch an manch ungewohnte Rollen habe ich mich inzwischen gewöhnt: 

Meinen Platz als Abteilungsleitung in der Stadtkirche habe ich eingenommen, bin routiniert im Genehmigen von Urlaubsanträgen und habe einen Überblick über unsere Finanzen. Ich schlage mich seufzend mit Datenschutzgesetzen, HGB Doppik, Rechtsträgerschaften, Steuerrecht, Vereinsrecht und deutschem Reiserecht herum. 

Ich habe entdeckt, dass die Verantwortung für Mitarbeiter/innen mitunter einiges mit Seelsorge zu tun hat und die Herausforderung bedeutet, die Gaben eines Menschen zu erkennen und ihn so einzusetzen, dass er diese bestmöglich nutzen kann. 

Die Verantwortung für unser Jugend-Selbstversorgerhaus bei Neumarkt hat mir ein gewisses Grundwissen beispielsweise über Vorschriften des Brandschutzes oder die Funktionsweise von Magnetventilen in Entkalkungsanlagen verschafft – und mich zugleich erkennen lassen, dass diese Aufgabe, auch wenn sie zunächst gar nicht so aussieht, doch viel mit Jugendpastoral zu tun hat: Dafür zu sorgen, dass Räume für Jugendliche und Jugendarbeit zur Verfügung stehen. Wenn ich Gruppen „dort draußen“ besuche, macht mir das Haus bei allem Ärger, den ich manches Mal mit Architekten und Bauämtern habe, dann doch Freude.

Grenzen und Mauern

Nur an eines kann ich mich nicht gewöhnen: Dass mitten durch den Sozialraum der Großstadt Nürnberg eine Bistumsgrenze verlaufen muss, die oft unglaublich komplizierte kirchliche (Doppel-)Strukturen und Konflikte mit sich bringt; die Geld, Zeit und Motivation auf allen Ebenen frisst, die scheinbar in Stein gemeißelt ist und deren Nutzen für die (jungen) Menschen sich mir einfach nicht erschließen will. Immer wieder auch in der konkreten Arbeit an diese Mauer zu stoßen und sie als Grenze zu erleben, ist eine harte Herausforderung an meine Frustrationstoleranz. 

Was weitergehen lässt

Lohnt es sich trotzdem weiterzumachen? Manchmal habe ich mich das gefragt. Aber ich glaube, es lohnt sich für all die angefangenen und noch nicht abgeschlossenen wertvollen Projekte. Es lohnt sich vor allem für die tollen jungen Menschen, die ich kennengelernt habe. Und es lohnt sich nicht zuletzt aus der Erfahrung und Überzeugung, dass Glaube und Kirche (verstanden als Gemeinschaft der Glaubenden) unter jungen Menschen schon jetzt lebendig ist und weiterleben wird gerade auch jenseits diözesaner kirchlicher Strukturen.

Ministrantenwallfahrt nach Rom

Text und Fotos: Sr. Magdalena Winghofer CJ