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Die "gerechte Seele"

Im Jahr 1615 hatte Mary Ward während ihrer Exerzitien die sog. „Vision von der gerechten Seele“. Sie beschrieb sie in einem Brief als richtungsweisend für die geistige Verfassung der Frauen, die sich ihrer Gemeinschaft anschließen.

Diese Verfassung bestehe in einer besonderen Freiheit von aller Anhänglichkeit an irdische Dinge, verbunden mit der Bereitschaft und der Tauglichkeit für alle zu unternehmenden Tätigkeiten.

Sie lässt sich durch drei Attribute beschreiben: Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit.

  • Die Freiheit besteht in der Fähigkeit, alles auf Gott zu beziehen.
  • Gerechtigkeit meint das rechte Verhältnis zu Gott, in dem das äußere Erscheinungsbild und der innere Zustand des Menschen in Einklang sind. Dies ist eng verbunden mit einer Haltung der Wahrhaftigkeit; in den Worten Mary Wards: „dass wir so seien, wie wir erscheinen, und erscheinen, wie wir sind.“
  • Die Wahrhaftigkeit erachtete Mary Ward als eine so wesentliche Grundlage, dass die Mitglieder der Gemeinschaft sich „vor allen anderen Tugenden in diese einüben sollten“.
Einführung in die "gerechte Seele" von Sr. Ursula Dirmeier CJ

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Zum 400. Geburtstag des Briefs zur Gerechten Seele haben wir Schwestern und Gefährtinnen gefragt, was diese Worte Mary Wards ihnen heute noch bedeuten. Hier sind ihre Antworten:

Strahlkraft des wachen Herzens

Mit der Strahlkraft eines wachen Herzens, die vom Innenwohnen des dreifaltigen Gottes genährt wird, viele Begegnungen und Beziehungen wagen.
Sr. Raphaela Leurer CJ

 

Alles auf Gott beziehen

Dieser Gedanke Mary Wards ist für mich das Herzstück ihres Briefes zur Gerechten Seele – in zweifacher Hinsicht.
Zum einen höre ich darin: Aus Gott selbst liegt diese Freiheit, das Angebot stetiger Rückbindung an Ihn, in der Welt. Wie ein leiser, ewiger Grundton des Lebens. Es ist immer schon da, dieses Werbende: Du, Mensch, fühle dich frei, mit allem zu mir (zurück) zu kommen, wie anfänglich, wie abgebrochen es auch sei.

Aber diese Freiheit drängt sich nicht auf, sie will entdeckt werden, und sie ent-deckt sich den Suchenden, kann ihnen zuteilwerden – wie Mary Ward.
Ich höre auch: Im Rückbinden an das göttliche Du geschieht mir Freiheit. Es ist keine Pflicht, kein Einengen, keine moralische Norm, sondern es öffnet jeden meiner Schritte neu in ein erbarmendes und entlastendes letztes Lieben, ausnahmslos.
Christiane Paar, Gefährtin

Frei, wahrhaftig, gerecht

Der Brief über die „Gerechte Seele“ ist für mich einer der wichtigsten Texte, der uns von Mary Ward erhalten ist. Die Haltung, die sie hier beschreibt, fasziniert und inspiriert mich immer mehr, je länger ich mich damit auseinandersetze. Frei, wahrhaftig, gerecht  – so lebt sie selbst, so wünscht sie sich ihre Gefährtinnen damals wie heute, so will ich leben.

Es ist für mich der gleiche Geist wie in den Seligpreisungen Jesu: Unabhängige, authentische Menschen, die es nicht nötig haben, sich ängstlich an sich selbst und/oder die Erwartungen und Sicherheiten des Mainstreams zu klammern, die vielmehr ihre Kraft und ihre Sicherheit aus dem Wissen um einen liebenden Gott und in der lebendigen Beziehung zu ihm finden.

Und das hat Folgen. Freiheit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit – dafür setzt sich Mary Ward in ihrer Zeit und Situation unerschrocken, beharrlich und liebevoll ein; uns in diesem Geist, im Geiste Jesu dafür einzusetzen wo es heute Not tut, ist wesentlicher Teil unserer Sendung.
Sr. Hilmtrud Wendorff CJ

Weder Demut noch Aufopferung

„Wenn das das Wahlprogramm einer Partei wäre, wäre ich da eingetreten.“ – stelle ich, die frühere Sozialistin, mitten im Noviziatsunterricht überrascht fest: Der zweite Gedanke ist dann selbstkritisch: „Zum Glück hat sie nichts von Demut, Aufopferung und Nächstenliebe“ gesagt. Das wäre auch heroisch – aber nicht mein Weg.

Frei, wahr, gerecht – nur so können Frauen die großen Aufgaben in ihrem Orden bewältigen, hat es Mary Ward früh erkannt. Ohne diese Haltungen hätten die Schwestern nicht an den anderen Visionen festgehalten, wären sie im Ringen um die Selbstständigkeit und ihr Charisma eingeknickt, wäre sie in der Erziehung vielleicht zu angepasst und zu wenig erfolgreich gewesen, wären wir jetzt nicht offen für neue Sendungen.

Für mich sind diese Haltungen immer wieder eine Herausforderung: Bin ich innerlich frei auf Gott ausgerichtet in der Arbeit, in der Gemeinschaft? Bin ich gefangen im Leistungsdenken oder im Bild der „idealen Gemeinschaft“? Wie ist mein Verhältnis zu den Mitschwestern – nah, distanziert? Wie zu den anderen? Benutze ich Menschen oder lebe ich in einem elastischen Netzwerk? Wie echt lebe ich – wie echt verletzlich, wie echt stark? Wie transparent für Gott? „Frei, wahr, gerecht“ sind Haltungen der Nachfolge: Frei, wahr gerecht wie der menschgewordene, der lebende, der verurteilte und gekreuzigte Gott und so teilhaben an der Auferstehung.
Sr. Birgit Stollhoff CJ

Gut sein

„Ich bitte Sie, erlangen Sie von Gott meine Besserung und helfen Sie mir, gut zu sein, was dieses Verlangen auch kosten mag“. Mit diesen Worten  beendet Maria Ward den Brief der Gerechten Seele. Wer die tiefste Sehnsucht in sich spürt,  gut zu sein, ist tief in Gott verankert.  Dieses Gut sein  ist für Maria Ward die Grundlage ihrer Lebensweise. Ohne diese Gnade ist nichts möglich.

Mich hat immer schon dieses  Streben Maria Wards, gut zu sein,  bewegt. Es ist auch für mich zum täglichen Gebet geworden, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Gut sein die Grundlage meines Lebens sein muss um Gutes zu vollbringen. Diese Sehnsucht stärkt meine Beziehung zu Gott und sie  macht mich  innerlich frei  von  all dem, was ich festhalten will. Ein versklavtes Herz ist nicht frei für den anderen, ist nicht gerecht im Umgang mit der Umwelt, ist nicht wahrhaftig in seinem Leben.  Die Sehnsucht ist die Bewegung, die den Menschen  treibt, in Beziehung mit Gott zu sein. Sie erfreut das Herz.
Sr. Cristina Irsara CJ

Eine einzigartige Freiheit

Für meinen geistlichen Weg ist besonders wichtig die Freiheit, die alles auf Gott bezieht – eine „einzigartige Freiheit von aller Anhänglichkeit an irdische Dinge, verbunden mit voller Bereitschaft und Tauglichkeit zu allen guten Werken.“ Das stets neue Bemühen um Frei-Werden von allem, was den Menschen festhalten lässt an Dingen, an persönlichen Vorlieben und äußeren Strukturen, versteht Mary Ward nicht als fromme Übung für den eigenen geistlichen Fortschritt. Es geht vielmehr um ein Lassen, das Herz und Hände frei gibt „zu allen guten Werken“, d. h. zur Sendung für die Mitarbeit am Aufbau des Reiches Gottes.
Wenn ich aus dieser Haltung heraus mein Leben zu gestalten versuche und wenn ich um das Geschenk dieser inneren Freiheit bete, werde ich mehr und mehr lernen, in allen Lagen einen Weg zu Gott zu entdecken. Indem ich mich grundsätzlich offen halte, werde ich bereit(et) für die Berührung durch Gott – und kann auch andere mit Gott in Berührung bringen.
Sr. Angela Fries CJ

Freiheit, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit

Drei Begriffe, die berühren. Sie klingen wie ein Konzept für eine neue Welt, in der Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit herrschen. Einer Welt, nach der ich mich sehne. Für Mary Ward umschreiben diese drei Begriffe die innere Haltung und die äußere Verhaltensweise, die für Frauen, die für Gott in der Welt an den Menschen Dienst tun, wesentlich sind. Unverzichtbar die Botschafterinnen Gottes.

Für mich sind es drei Begriffe, die etwas vom Wesen Gottes erschließen. In Ihm wohnen Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit. Er ist Garant dafür. Wenn ich zu Gott gehöre, dann wachse ich in Seine Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit hinein.

Je mehr ich darin wachse, umso klarer zeigen sich diese Gotteswerte in meinem Leben. Ich darf Trägerin, Vermittlerin, Botschafterin dieses großen und den Menschen zugewandten Gott sein und andere einladen, selbst die Ideale der Freiheit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit in Gott zu finden.
Sr. Cosima Kiesner CJ