Brief der Generaloberin zum Ignatiusfest

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Nehmt, Herr, und empfangt
meine ganze Freiheit,
mein Gedächtnis,
meinen Verstand
und meinen ganzen Willen,
all mein Haben und mein Besitzen.
Ihr habt es mir gegeben;
Euch, Herr, gebe ich es zurück.
Alles ist Euer,
verfügt nach Eurem ganzen Willen.
Gebt mir eure Liebe und Gnade,
denn diese genügt mir.


Ignatius von Loyola

Liebe Gefährtinnen im Herrn,

Wie jedes Jahr feiern wir am 31. Juli das Fest des heiligen Ignatius. Vieles gäbe es zu dem Heiligen zu sagen, der für uns als CJ und Gefährtinnen Mary Wards so große Bedeutung hat. Die Exerzitien, Konstitutionen und andere Schriften, Herzstücke unserer Spiritualität, sind uns vertraut, prägen unser Leben, und doch scheint immer wieder Neuheit, neue Aktualität auf, wenn wir uns in einer je veränderten Lebenssituation neu ansprechen, neu berühren, auch neu infrage stellen lassen.

In den letzten Monaten begleitet mich in besonderer Weise das Suscipe (EX 234). Wir alle haben es im Laufe unseres Ordenslebens oft gebetet, sicher manchmal mit angehaltenem Atem und einem gewissen Zögern, einem vielleicht bangen Fragen, ob wir diese Worte wirklich aus ehrlichem Herzen beten können, was die Konsequenzen sein könnten, wenn Gott unser Suscipe wirklich ernstnimmt und annimmt.

Unsere Bereitschaft, alles zu geben und total verfügbar zu sein, ist unsere Antwort auf den Ruf Christi, Ihm nachzufolgen. Es ist die Art und Weise, wie wir unserer Liebe zu Christus Ausdruck verleihen. Verfügbarkeit ist überhaupt nur denkbar aus einer innigen Christusbeziehung heraus – der innige Wunsch, dem Sohn ähnlich zu sein, befähigt uns, dem Herrn unser Suscipe anzubieten. Das Herz der ignatianischen Spiritualität ist der verfügbare Mensch. In unseren Gelübden versprechen wir, diese totale Verfügbarkeit zu leben, an dem Ort, an den wir gesendet sind, und in der Sendung, die uns anvertraut ist.

Ich nutze die Gelegenheit dieses Briefes, Ihnen allen, jeder Einzelnen rund um den Erdball, von Herzen zu danken für Ihre persönliche Verfügbarkeit, die Sie in ihrer Sendung leben, viele von Ihnen schon über viele Jahre und Jahrzehnte. Die aufrichtige Verfügbarkeit jedes einzelnen Mitgliedes ist die Voraussetzung dafür, dass die Congregatio Jesu als ganze ihrem Auftrag gerecht werden kann. Wie gelebte Verfügbarkeit nicht nur für die einzelne Schwester in die Erfahrung von Freiheit und Erfüllung mündet, sondern die Congregatio Jesu als ganze stärkt und befähigt, in der Sendung zu leben, so beeinträchtigt die direkte oder indirekte Verweigerung der Verfügbarkeit nicht nur das individuelle Leben, sondern die Lebens- und Strahlkraft der gesamten Congregatio. K [547] sagt, ein Charakteristikum der Mitglieder der CJ soll sein, sich "freudig einsetzen [zu] lassen" wohin und zu welcher Aufgabe auch immer sie gesandt werden.

Echte Verfügbarkeit ruft uns heraus aus unserer Komfortzone, macht uns offen, uns auch da ganz einzubringen, wo wir Herausforderungen zu bestehen haben und uns mühen müssen. Nur wenn wir uns auf ein aufrichtiges und großherziges Engagement einlassen, werden wir erfahren, dass volles Engagement zu Erfüllung und innerer Freude führt und eine Menge positiver Energie freisetzt.

Es geht nicht nur um die Verfügbarkeit der einzelnen Schwester, sondern auch um die der universellen CJ als Leib und all ihrer Provinzen, Regionen und Kommunitäten. Das setzt einen andauernden Prozess der persönlichen und gemeinschaftlichen Unterscheidung auf allen Ebenen voraus, um den Willen Gottes für uns zu erspüren. Wir alle "wissen" eine Menge über geistliche Unterscheidung, aber wir alle müssen in die Tiefe wachsen, so dass die Haltung der Unterscheidung unser ganzes Leben in all seinen Dimensionen durchdringt. Verfügbarkeit und Unterscheidung bedingen sich gegenseitig – das eine ohne das andere ist nicht möglich.

Ich lade Sie alle ein, in einer Haltung der Unterscheidung nachzuspüren und auch miteinander darüber ins Gespräch zu kommen, was es für uns als Gemeinschaft, Region, Provinz und als weltweite CJ bedeutet, dem Herrn unser Suscipe anzubieten – für heute und für die Zukunft. Lassen wir die Frage an uns heran, ob wir persönlich und als Gemeinschaft tatsächlich verfügbar sind für den vielleicht überraschenden und herausfordernden Ruf Gottes durch die Zeichen und Stimmen unserer Zeit, oder ob wir eher der Versuchung erliegen, uns im Bekannten und Bewährten einzurichten und herausfordernden, aber vielleicht notwendigen Veränderungen aus dem Weg zu gehen.

Wenn wir uns dem Herrn ganz überlassen, wenn Er in uns wohnt, werden wir erfahren, dass wir von Ihm "beseelt", werden, dass Er uns "wahrnehmen macht" und "Verstehen gibt" (Ex 235) – dass Er uns Schritt für Schritt zu der Erkenntnis führt, was Sein Wille für uns als Einzelne und als Gemeinschaft ist. Gott verheißt uns "Zukunft und Hoffnung" (Jer 29,11), und Er befähigt uns Schritt für Schritt Seinen Willen zu tun – wie Paulus sagt: Er bewirkt in uns das Wollen und das Vollbringen (Phil 2,13).

Bleiben wir als verfügbare Menschen in der beständigen Unterscheidung, den Willen Gottes für unser Leben und für unsere Gemeinschaft zu suchen und nach besten Kräften zu tun. Unterstützen wir uns auf allen Ebenen gegenseitig im Suchen und Hören, im Austausch und in der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft unserer CJ und beten wir in diesem Anliegen füreinander – in besonderer Weise am Fest des heiligen Ignatius, aber auch an jedem anderen Tag!

In herzlicher Verbundenheit

Sr. Veronica Fuhrmann CJ