Interview mit Sr. Monika Glockann CJ

Erdbeeren und Herzenswärme

Interview mit Sr. Monika Glockann CJ, Oberin in Hannover zur Entstehung eines spannenden Projekts

Papst Franziskus hat der katholischen Kirche einen neuen Kurs vorgegeben: Gläubige sollen „an die Ränder gehen“ und sich auf Menschen in Not einlassen. Die Schwestern der Congregatio Jesu in Hannover haben genau dies getan: Seit der Karwoche sind nach und nach asylsuchende Frauen mit ihren Kindern bei ihnen ins Haus gezogen. Betreut werden sie vom Caritasverband. Am 13. Juni kam Hildesheims Bischof Norbert Trelle zur Segnung der Räume in die Hildesheimer Straße 30. Oberin Sr. Monika Glockann CJ erklärt im folgenden Interview, wie dieses Projekt zu Stande gekommen ist.

Frage: Sr. Monika, im Haus der Congregatio Jesu wohnen seit Mitte April Flüchtlinge, die vom Caritasverband betreut werden. Wie kam es zu diesem Projekt?

Sr. Monika Glockann CJ: Unser dritter Stock war bis vor kurzem so etwas wie eine Gäste-Etage. Sie wurde durchaus genutzt, aber wir haben uns öfter gefragt, ob eine derartige Nutzung auf Dauer sinnvoll ist. Im September 2013 waren dann die ersten Beiträge über syrische Flüchtlinge zu lesen. Unter anderem war in den Nachrichten ein kleines Kind zu sehen, das seine Nase ans Flugzeugfenster presst und sehnsüchtig hinausschaute. Dieses Bild ist mir ins Herz gefallen und hat mich nicht mehr losgelassen.

Zwei Wochen später habe ich die Kommunität gefragt, ob sich die Mitschwestern vorstellen könnten, dass wir unser Haus für Flüchtlinge öffnen. Nach einem längeren Diskussionsprozess haben dann alle Ja gesagt. Anschließend habe ich die Provinzleitung gefragt und den Bischof von Hildesheim, die sich auch beide für das Projekt ausgesprochen haben. Bischof Norbert Trelle hat in der Deutschen Bischofskonferenz das Amt des Migrationsbischofs inne, weshalb wir bei ihm natürlich auf offene Türen gestoßen sind. Schließlich wurde der Hannoveraner Propst Martin Teng informiert, der sofort den Caritasverband miteinbezogen hat, damit ein geeigneter Träger zur Verfügung steht. Die Caritas hat dann verschiedene Umbauarbeiten veranlasst, etwa eine neue Küche, damit sich die Frauen selbst versorgen können.

Frage: Wie viele Flüchtlinge haben Sie und Ihre Mitschwestern bei sich aufgenommen? Und aus welchen Ländern kommen sie?

Sr. Monika Glockann CJ: Im Moment leben fünf Frauen und sieben Kinder bei uns in einem eigenen Stockwerk. Zwei der Frauen sind schwanger, wir erwarten also noch weitere Kinder. Ein Zimmer für eine Frau ist noch frei und wird wohl demnächst belegt. Vier der Frauen stammen aus Ghana, eine kommt aus Georgien.

Frage: In welchem Alter sind die Kinder?

Sr. Monika Glockann CJ: Die Spanne reicht vom Säugling bis zum 14-Jährigen. Im Übrigen sind es lauter Buben, die mit ihren Müttern bei uns leben. Der 14-Jährige spricht ganz gut englisch, so dass wir uns mit ihm verständigen können. Er geht auch bereits zur Schule und lernt eifrig deutsch, ebenso der Zehnjährige.

Frage: Sind die Frauen mit ihren Kindern alle Christen?

Sr. Monika Glockann CJ: Ich weiß das nicht von jeder Frau, aber die meisten sind Christen und besuchen den Gottesdienst.

Frage: Auf welchen Zeitraum hin ist das Projekt angelegt?

Sr. Monika Glockann CJ: Wir haben erst einmal einen Probelauf von einem Jahr vereinbart. Alle Beteiligten von Kommunität und Caritasverband werden sich im Dezember zusammensetzen und gemeinsam überlegen, ob es weitergeht. Bisher läuft aber alles ganz gut.

Die Caritas hat eine Sozialarbeiterin mit einer halben Stelle angestellt, die an jedem Werktag bei den Frauen ist und sie unterstützt. Es gibt eine eigene Zugehfrau und einen Hausmeister. Außerdem kommt jeden Abend ein „Nachtwächter“, der nachschaut, ob alles in Ordnung ist. Besucher müssten zum Beispiel um 22 Uhr die Wohnung verlassen. Die Frauen bekommen demnächst Deutschunterricht. Es wird auch jemand vor Ort sein, der mit den Kindern spielt, damit die Mütter lernen können.

Wir von der Congregatio Jesu stellen die Räume zur Verfügung. Außerdem sind wir da, wenn etwas außer der Reihe passiert, wie gerade eben, als ein Junge ohnmächtig geworden ist. Sr. Maria Regina hat sich auch um den Zehnjährigen gekümmert, als seine Mutter zur Geburt des kleinen Bruders im Krankenhaus war. Sie hat ihn zur Schule gebracht, ihn von dort abgeholt und im dritten Stock geschlafen, weil er Angst hatte.

Zwei Mitschwestern sind auch mit den Kindern schon Eis essen gegangen. Als ich Erdbeeren gekauft habe, habe ich auch ein Körbchen für unsere Bewohner im dritten Stock mitgebracht. Manchmal kommt auch ein Junge herunter und setzt sich mit seinem Spielzeug vor meinen Schreibtisch, spielt ein wenig, nach einiger Zeit, geht er wieder hoch. Die Kinder haben natürlich schnell herausgefunden, wo die Bonbons liegen.

Frage: Ist das Leben mit Kindern im Haus nicht ungewohnt für Ordensfrauen?

Sr. Monika Glockann CJ: Wir haben uns schon daran gewöhnt. Natürlich hört man die Kinder manchmal trampeln oder schreien. Manchmal klingt es, als ob ein D-Zug durch den 3. Stock fahren würde oder als ob ein Schrank umfallen würde. Doch das schadet uns nicht, im Gegenteil. Wären wir nicht in einen Orden eingetreten, hätten wir wohl Kinder und Enkel.

Interview: Gabriele Riffert / Pressestelle Mitteleuropäische Provinz der Congregatio Jesu, Fotos: Gerd Pfeiffer (Porträt Sr. Monika) und Rüdiger Wala / Bernward Medien