Malala Yousafzai und Mary Ward

Bad Homburg. Sie waren voller Erwartung, die Schülerinnen der beiden 5. Klassen, die Ursula Püllen an der Bad-Homburger Maria-Ward-Realschule in Religion unterrichtet. Sie hatten viele Fragen im Vorfeld zusammengetragen, die sie stellen wollten, um nicht nur die Namensgeberin ihrer Schule, sondern auch eine der Schwestern besser kennen zu lernen.

Umso erstaunter und fast im selben Moment interessierter waren sie, als zunächst auf dem Tisch, der vor der Runde der Mädchen stand, das Buch mit dem Titel: „Ich bin Malala“ präsentiert wurde. Wir waren sofort im Gespräch – so nahe war diesen 12-jährigen noch die Verleihung des Friedensnobel-Preises 2014 an Malala Yousafzai, die als 15-jährige von Taliban-Kämpfern niedergeschossen wurde, weil sie sich dem Verbot, als Mädchen zur Schule zu gehen, widersetzt hatte.

Bei der Erinnerung an die Preisverleihung am 10. Dezember 2014 stand uns allen Malala vor Augen, die mit klarer und eindringlicher Stimme ihrem Vater dankte, der ihr „Flügel“ gegeben hat. Und hier war die Nahtstelle dafür, von Mary Ward, von den besonderen Umständen ihres Heranwachsens und von ihrer Motivation, „den Seelen zu helfen“, zu sprechen. Neben Malala fand das Bild des „Open Circle“ aus dem Gemalten Leben Platz auf unserem Tisch. Auf einmal waren die Schülerinnen ihr ganz nahe in dem, was sie und ihre Gefährtinnen im 17. Jahrhundert unternommen hatten, um Frauen aus Unwissenheit und Ungleichheit zu befreien.

Einige Mädchen mit Büchen von Malala und über Mary Ward. Foto: U. Püllen

Zwei Schulstunden vergingen im Nu. Die Tatsache, dass Mädchen auch im 21. Jahrhundert immer noch vom Menschenrecht der Bildung ferngehalten werden können, ist weiterhin ein Skandal – aber dass es auch in unserer Zeit so mutige junge Frauen geben muss, und was der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vor aller Welt dazu gesagt hat, das ließ die Realschülerinnen doch auch ihre privilegierte Situation hier in Deutschland erkennen: „Malalas Mut und Entschlossenheit haben den Terroristen gezeigt, was sie am meisten fürchten müssen: ein Mädchen mit einem Buch!“

Vor diesem Satz wurde der Zuspruch Mary Ward‘s auf einmal klar verständlich: „Fürchte nur, zu viel Furcht zu haben!“ Und jetzt hatten die Mädchen auch ganz offene Ohren dafür, welche Stärke und welchen Mut Mary Ward aufbringen musste, was ihre Gefährtinnen für sie bedeuteten, warum sie alle einen starken Glauben an Gott und ihre Berufung brauchten, und dass Hindernisse auch zu Wegbereitern für das Richtige und Gute werden können.

Am Ende der gemeinsamen Zeit mit Malala und Mary Ward war es ganz selbstverständlich, dass der Tisch mit Blumen geschmückt wurde, dass eine Kerze angezündet werden musste und dass die Neugier auf Mehr geweckt war. Das Beantworten der Fragen zum Leben der Schwestern, die zur Congregatio Jesu gehören und auf dem Schulgelände in unmittelbarer Nachbarschaft leben, war von Interesse und Verständnis geprägt: Mary Ward’s Erbe muss weiter gelebt werden.
Text: Sr. Irmtraud Erlwein CJ; Foto: Ursula Püllen