5. Impuls zur Fastenzeit: Lauterkeit und Liebe

„Einzig das sollen wir ersehnen und erwählen,
was uns mehr zum Ziele hinführt,
auf das wir geschaffen sind.”

 

“Prinzip und Fundament”

6.  Abschnitt

 

Der letzte Abschnitt verdichtet die vorhergehenden Gedanken. Es geht um die Motivation, um die Lauterkeit der Absicht, in der wir etwas tun. Hillel sagt: „…Und wenn ich’s nur für mich selbst tu, was bin ich?“ (siehe „Unterscheidung und Entscheidung“)

„Menschsein bedeutet, sich auf etwas zu beziehen, das nicht wieder er selbst ist – auf etwas oder auf jemanden, auf eine Sache, der wir dienen, oder auf einen Menschen, den wir lieben. Menschsein langt über sich selbst hinaus.“ (Frankl in „Logotherapie und Existenzanalyse“) Es hat mich beeindruckt, wie wichtig in der Logotherapie die Motivation ist. Sie bewahrt uns vor falschen Lebensentwürfen und krankmachenden Leistungen.

Das sollte an einem Beispiel zum Thema „Burn-out“ bei einem Lehrertag mit Frau Dr. Lukas verdeutlicht werden. Die Übertragung auf andere Berufe oder auf andere Situationen, auf die Wahl des Lebenspartners oder die Entscheidung für einen geistlichen Beruf ist möglich. Frau Dr. Lukas stellte die Frage: Wozu sind Sie Lehrer/In geworden? Welche Motive hatten Sie? Es kann viele Gründe geben, z.B. Freude, mit jungen Menschen umzugehen, oder das Vorbild einer Lehrkraft aus der eigenen Schulzeit, das zur Nachahmung anregt, die Erwartung, dass man im Schulort Ansehen hat, dass man von den Kindern geliebt wird, die Meinung, dass man viele freie Nachmittage und  viele Ferien hat, Lehrermangel, der auf eine gute Stelle hoffen lässt, Misserfolg bei einem anderen Studium – Notlösung…

„Was ist der eigentliche Sinn des Lehrberufes?“ Den Schüler/Innen „gute Bausteine für ihr Leben“ zu geben, wie solides Wissen, gute Arbeitstechniken, Anleitung zur Selbstständigkeit, Weckung von geistigen Interessen, Freude am Lernen, am Gestalten, an eigenen kreativen Leistungen, Teamgeist, Erleben des Schönen, achtsamer Umgang miteinander, Aufmerksamkeit füreinander, Mut und Einsatzbereitschaft, Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, sich einzusetzen für die Schöpfung, für Menschen und Dinge und Werte, Offenheit für Gott …

Pestalozzi sagt: „Der Schul-Meister denkt nicht ans Lehren und Lernen, er denkt immer ans Wachsen.“

Und was geschieht, wenn die Schüler/Innen unser Bemühen nicht honorieren, wenn sie schwierig sind, wenn sie nicht verstehen, dass es um ihre Zukunft und ihr Glück geht? Dann muss man lernen, dass es nicht in unseren Händen liegt, was der junge Mensch aus den „Bausteinen“ macht, die wir ihm zureichen. Unsere Aufgabe ist nur, unser Bestes zu geben.
Der Fokus ist auf die jungen Menschen gerichtet, ihnen gelten unsere gewissenhaften Vorbereitungen, unsere methodischen Überlegungen, unser  Einsatz, unsere Ideen und auch unsere Überstunden.

Dort, wo die Motivation auf ein sinnvolles Ziel gerichtet ist, wächst bei Schwierigkeiten auch die Kraft zum Durchhalten, lernt man, kreativ mit Schwierigkeiten umzugehen und Empfindlichkeiten abzubauen, wird der innere Friede nicht dauerhaft gestört, kommt Freude auf bei kleinen Erfolgen und große Dankbarkeit, wenn erfahrbar wird, dass zu wachsen beginnt, was wir gesät haben.

Wenn die Motivation durchsetzt ist mit egozentrischen Erwartungen, wenn wir „zurückgebogen“ sind auf uns selbst, wie es Frau Dr. Lukas formulierte, sind Misserfolge gefährlich für unser psychisches Gleichgewicht, weil uns Enttäuschungen und Verletzungen Freude und Kraft nehmen und damit „krisenträchtig“ sind. Sie können die Ursache für „Burn-out“ sein. (Dass es für diese Erkrankung auch andere Gründe gibt, die in der schwierig gewordenen Arbeitswelt liegen, ist damit nicht ausgeschlossen.)

Wofür tue ich etwas?

Wir legen Bahnen für falsche Lebens-Lernprozesse, wenn wir Kindern und Jugendlichen Geld für gute Schulleistungen versprechen oder ein neues Fahrrad in Aussicht stellen. Ziel ist es, die jungen Menschen für eine Sache, eine Aufgabe, ein Werk, für Gott zu begeistern, dass sie Freude haben, sich „um der Sache willen“, „um eines Menschen willen“, „um Gottes willen“  einzusetzen.

Darf man das oben zitierte Wort des hl. Ignatius auch für unsere Alltagssituationen anwenden: „Einzig das sollen wir ersehnen und erwählen, was uns mehr zum Ziele hinführt, auf das wir geschaffen sind”, oder gilt es nur für unsere Beziehung zu Gott? 

„Einzig“ bedeutet, hingerichtet sein auf ein Ziel, nicht „zwiespältig“ sein, gespalten sein, sondern das sein, was man zu sein vorgibt, d.h.authentisch sein. „Mir missfiel stets jede Art von Täuschung, und mehr als alles der Selbstbetrug. Zeige dich, wie du bist und sei, wie du dich zeigst!“ (Maria Ward) Enttäuscht es uns nicht besonders, wenn wir erfahren, dass jemand sein Amt, seine Macht missbraucht hat, dass er vorgegeben hat, etwas anderes zu sein und zu wollen als er in Wirklichkeit war?

Die „gerade Absicht“ wird gut ausgedrückt in dem Wort „Lauterkeit“. „Lauter Gold“ = nichts als Gold, ohne Beimengung anderer Stoffe. Es geht um eine Haltung der absichtslosen Liebe - im alltäglichen Leben und gegenüber Gott.

Was führt uns mehr dazu, den Sinn unseres Lebens, unser letztes Ziel, zu finden? Nicht ein immer „Mehr“ an Leistungen, an Gebeten und Askese, an Übungen und Methoden, an Planungen und Strukturen, nicht ein „Mehr“ im Sinne von Quantität, wie das „Mehr“ – „Magis“ des Ignatius früher mitunter ausgelegt wurde, sondern von Qualität.

„Wenn durch einen Menschen ein wenig mehr Güte und Liebe in der Welt war, hat sein Leben einen Sinn gehabt.“ (P. Alfred Delp, SJ)

 

Zum Schluss eine Geschichte von den Philippinen und ein Gebet:

 

Die Halle mit Licht füllen

Ein König hatte zwei Söhne. Als er alt wurde, wollte er einen der beiden zu seinem Nachfolger bestellen. Er versammelte die Weisen seines Landes und rief seine Söhne herbei. Er gab jedem der beiden fünf Silberstücke und sagte: “Füllt für dieses Geld die Halle in unserem Schloss bis zum Abend. Womit, das ist eure Sache.”

Der Ältere ging davon und kam an einem Feld vorbei. Dort waren die Arbeiter dabei, das Zuckerrohr zu ernten und in einer Mühle auszupressen. Das ausgepresste Zuckerrohr lag nutzlos umher. Er dachte sich: “Das ist eine günstige Gelegenheit, mit diesem nutzlosen Zeug die Halle zu füllen.” Bis zum Nachmittag war es geschafft. Der älteste Sohn ging zu seinem Vater und sagte: “Ich habe deine Aufgabe erfüllt. Auf meinen Bruder brauchst du nicht zu warten. Mach mich zu deinem Nachfolger.” Der Vater antwortete: “Es ist noch nicht Abend. Ich werde warten.”

Bald darauf kam auch der jüngere Sohn. Er bat darum, das Zuckerrohr wieder aus der Halle zu entfernen. Nachdem das geschehen war, stellte er mitten in die Halle eine Kerze und zündete sie an. Ihr Schein füllte die Halle bis in die letzte Ecke.

Der Vater sagte: “Du sollst mein Nachfolger sein. Du hast nicht einmal ein Silberstück gebraucht und hast die Halle mit Licht gefüllt. Das ist es, was die Menschen brauchen.”

„Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst,

dass ich verzeihe, wo man beleidigt,
dass ich verbinde, wo Streit ist,
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist,
dass ich den Glauben bringe, wo Zweifel quält,
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält,
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert,
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Herr, lass mich trachten,
nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste,
nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe,
nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe.

Denn wer sich hingibt, der empfängt,
wer sich selbst vergisst, der findet,
wer verzeiht, dem wird verziehen,
und wer stirbt, der erwacht zu neuem Leben. Amen.

Franziskus von Assisi zugeschrieben