„Mein Herr und mein Gott!“ Eine Exerzitienerfahrung

"Lockdown Light" im November 2020: Für viele Menschen bedeuten die Kontaktbeschränkungen, die Einschränkungen im öffentlichen Leben, die erneuten Veränderungen, dass schwere Tage vor ihnen liegen. Doch wir dürfen hoffen und können Trost finden. Sr. Beate Neuberth CJ teilt eine Exerzitienerfahrung mit allen Leserinnen und Lesern, die ihr auch in diesen Zeiten der Corona-Pandemie hilft.

Aquarellmalen bezeichne ich als mein Hobby, früher sagte man Steckenpferd. Es ist aber nicht so, dass ich jederzeit den Pinsel in die Hand nehmen würde und malen könnte. Nein, ich muss in der richtigen Stimmung, in Ruhe sein.

Exerzitien sind für mich immer so eine Zeit, wo ich malen kann, manchmal sogar muss. So auch dieses Mal.

Einen besonderen Anstoß gab das Geschenk einer Freundin: Ein Aquarell-Zeichenblock.

Am Ende einer Meditation betete ich:

„Herr, lass mich Stimme, Hand, Werkzeug für dich sein!“

Das hat mich motiviert zu malen in den mir lieben Farben: Weiß für Gott, den man ja nicht malen kann, Gelb, Orange und Rot für Jesus Christus und die übrigen Farben für unsere Welt; zum Schluss legte ich meine linke Hand auf das Bild und zeichnete sie nach.

Mit dem Ergebnis war ich zufrieden, fand aber keinen Titel dazu!

Im Fortgang der Exerzitien erhielt ich die biblische Szene Joh. 20,27, in der Jesus den ungläubigen Thomas u.a. auffordert: „Streck deine Hand aus und lege sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“

Großspurig hatte Thomas vorher getönt: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“ (Joh. 20,25)

Und jetzt nimmt ihn Jesus beim Wort, überführt ihn. Ob sich jetzt Thomas geschämt, geniert, ob er sein loses Mundwerk bedauert hat? Ich bin sicher, dass er nun überrumpelt war…

Jesus hat keine Berührungsängste, IHM kann keiner so leicht zu nahe treten. Thomas darf, ja soll Jesus berühren – dort wo ER so schrecklich verletzt wurde.

Mit diesen Gedanken fiel mein Blick auf das gemalte Handbild, das vor mir auf dem Schreibtisch stand. Blitzartig und mit Herzklopfen erkannte ich: Das ist die Situation des Thomas und auch meine:

Ich darf Jesus Christus ganz nahe kommen.

Ich darf ihn berühren: Wie Thomas darf ich es: Ja, ich soll es.

Wie Thomas bin ich hineingenommen

            In Sein Licht und in Sein Feuer,

            in Seine Wärme und Seine Dynamik,

            in Seine große Liebe.

Mit Thomas kann ich stammeln:

Mein Herr und mein Gott!

Jetzt hat das Bild einen Titel!

Erinnern möchte ich noch an Mary Ward. In ihren Exerzitienaufzeichnungen im April 1618 ermutigt sie sich selber „Geh nah zu IHM hin!“

Tun wir es auch immer wieder – auch außerhalb von Exerzitien und erst recht in dieser unnahbaren Zeit der Pandemie.

 

Text und Aquarell: Sr. Beate Neuberth CJ