Auszeichnung für die Masterarbeit von Sr. Regina Köhler CJ

Fakultätspreis der Hochschule Mannheim würdigt ihre Auseinandersetzung mit existentieller Psychotherapie in ihrer Bedeutung für die Soziale Arbeit

Sr. Regina Köhler CJ hat für ihre Masterarbeit den Fakultätspreis der Hochschule Mannheim bekommen. Die Arbeit befasst sich mit dem Thema „Existentielle Ansätze und ihre Bedeutung für die Soziale Arbeit in gerontologischen Handlungsfeldern“. Wir gratulieren Sr. Regina herzlich und nehmen die Auszeichnung  zum Anlass, um über dieses spannende Thema zu berichten.

Sr. Regina schreibt: „Ausgangspunkt meiner Masterarbeit waren drei persönliche Begegnungen mit existentieller Psychotherapie während meiner Studienzeit, nämlich eine Ringvorlesung zu Viktor Frankl und seiner Logotherapie, die therapeutischen Romane von Irvin Yalom und eine Fortbildung zum Thema Trauern mit dem existenzanalytischen Ansatz von Alfried Längle. Jeder dieser existentiellen Ansätze hat mich auf seine Weise gefesselt in der Art und Weise, wie auf den Menschen und das Leben im Allgemeinen geschaut wird; sie schienen mein Leben unmittelbar anzugehen.“

Ansätze der existentiellen Psychotherapie in der Sozialen Arbeit

Die Arbeit will die Bedeutung existentieller Ansätze und deren Grenzen für die Praxis der Sozialen Arbeit in gerontologischen Handlungsfeldern theoretisch herausarbeiten.

Dazu wurden in einem ersten Schritt drei Konzepte existentieller Psychotherapie miteinander verglichen – die Logotherapie und Existenzanalyse nach Viktor Frankl, die Existenzanalyse nach Alfried Längle und die Dynamische Psychotherapie nach Irvin Yalom – und die existentiellen Aspekte herausgearbeitet, die außerhalb der Heilkunde anschlussfähig sind. Die Fragestellung lautete: Welche Bedeutung und welchen Mehrwert haben existentielle Ansätze für die berufliche Praxis der Sozialen Arbeit und wo liegen hierfür Grenzen?

Eine Antwort wurde am Beispiel der Offenen Altenarbeit, der Sozialen Altenhilfe in der Pflege und Hospiz und Palliative Care entwickelt, da sich die grundlegenden Themen des Menschseins hier besonders zeigen. Je weniger sich ein Mensch im Lauf seiner Biografie mit existentiellen Fragen wie die nach dem Sinn (seines) Lebens, dem Umgang mit Einsamkeit, mit Verlusterfahrungen und (seiner) Endlichkeit gestellt hat, desto drängelnder stellen sie sich ihm im Alter.

Was dem Menschen Würde gibt

Die Arbeit macht deutlich, dass sich existentielle Ansätze mehr als Haltung denn als Methode verstehen und mit anderen Funktionsbereichen hoch kompatibel sind. Existentielle Ansätze sehen die geistige Dimension des Menschen als das eigentlich Personale am Menschen. Was den Menschen von anderen Wesen unterscheidet ist demnach die Tatsache, dass er intentional auf Sinn hin angelegt ist, fähig zu Selbsttranszendenz und Selbstdistanzierung. Deshalb sei er frei, sich unabhängig von inneren und äußeren Zwängen zu entscheiden und folglich für sein Leben und seine Entscheidungen voll verantwortlich. Existentielle Ansätze leiten aus diesem Ansatz die Individualität und Würde eines jeden Menschen unabhängig von jeglicher Leistung ab. Sie betonen seine Verantwortlichkeit und unterstreichen die Frage nach dem Sinn als ein Grundbedürfnis des Menschen. Diesen Ansatz macht Sr. Regina für die berufspraktische und gesellschaftspolitische Dimension der Sozialen Arbeit fruchtbar.

Wichtige Ansätze für die Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften

So hebt die Arbeit in besonderer Weise die Relevanz existentiell orientierter Ansätze für die Fachkräfte der Sozialen Arbeit hervor. Die generalistisch ausgebildeten Fachkräfte gelten zwar auch für gerontologische Tätigkeitsbereiche als gut vorbereitet, aber der Umgang mit existentiellen Themen ist in ihrer Ausbildung nicht vorgesehen. In gerontologischen Handlungsfeldern stoßen sie aber vermehrt auf Klientinnen und Klienten, die von schwerer oder unheilbarer Krankheit betroffen sind, im Sterben liegen, mit Verlusterfahrungen kämpfen und sich Sinnfragen stellen. Im Zug der Arbeit wird deutlich, dass zur Professionalität nicht nur eine gute Gesprächs- und Begleitkompetenz von existentiellen Krisensituationen gehört, sondern die persönliche Auseinandersetzung mit existentiellen Themen unerlässlich ist. Nur wer diese Themen selber verarbeitet und integriert hat, vermag professionell zu helfen.

Diese Masterarbeit wurde der Anlass, Sr. Regina in Pflegeexperiment nach Nymphenburg auf die Palliativstation bei den Barmherzigen Brüdern zu schicken. Sie schreibt dazu:

„Ich bin dankbar und erstaunt, wie die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung während der Masterarbeit für mich auch im Leben Relevanz bekam. Während des Schreibens wurde mir der Satz wichtig, für die Bedeutungsgebung auch der eigenen Gefühle verantwortlich zu sein. Gefühle hat man, aber für die Bedeutung, die ich ihnen gebe, bin ich selber verantwortlich. Ich habe von meiner Arbeit nicht nur wissenschaftlich profitiert, sondern auch persönlich. Im Rückblick bin ich über die Führung und Fügungen erstaunt: Ich durfte mein Pflegeexperiment auf der Palliativstation ableisten und viel dabei lernen. Kurze Zeit später wurde es noch konkreter, als meine Mutter plötzlich mit der Diagnose von Krebs im Endstadium konfrontiert war. Ich war anders in dieser Situation präsent und vorbereitet als wenn ich diese Erfahrungen im Vorfeld nicht gemacht hätte.“

Text: Sr. Regina Köhler CJ und Esther Finis
Foto: K. Wolf

Hinweis: Wer Interesse hat, die Arbeit, die den Preis mit der Auszeichnung „Hervorragende gesellschaftspolitisch relevante Abschlussarbeit“ bekam, zu lesen, kann sich an Sr. Regina Köhler wenden.