Murmeln wie ein Baum - ein Text über Bäume und den Trost

Bild und Fotografie: Sr. Beate Neuberth CJ

Mächtig und gewaltig ragt diese alte Eiche in den Himmel.

Mächtig und gewaltig können Worte sein, die uns erschrecken; unübersehbar sind aber auch die vielen kleinen und zerbrechlichen Zweige und Verästelungen am Ende jeden Astes. Bizarr und filigran zeichnen sie sich gegen den Himmel ab und nehmen dem Riesenhaften das Schwere!

Auf unserem Bild ist Spätherbst, Winter oder Vorfrühling; wenn wir näher an die Eiche herankommen, sehen wir die vielen winzigen Knospen, die auf die Sonne, den warmen Regen warten um im Frühjahr aufzuspringen zu neuem Leben.

Wir brauchen nicht viel Phantasie, um diesen Baum im satten Grün zu sehen; Stamm und Äste sind kaum sichtbar. Gerne setzen wir uns unter diese Eiche und lauschen dem Gemurmel, das die verschiedensten Vögel, die diversen Insekten – ja der Baum selbst mit seinen Tausenden von Blättern verursacht.

Unsichtbar sind auch die unzähligen Wurzeln, die tief im Erdboden verankert sind, dorthin wo lebendiges Wasser fließt, um den Baum zu nähren. Die Wurzeln garantieren den festen Halt, damit kein Sturm den Baum umstürzen kann…

Ist dieser Baum nicht ein Sinnbild für unser Leben – auch wenn unser/mein Lebensbaum nicht groß, überragend, auffallend dasteht?

Wir sind verwurzelt in unserem Heimatboden, meistens darüber hinausgewachsen, aber doch noch in Beziehung mit ihm. Für manche Menschen sind wir Schutz geworden gegen die Hitze ihrer Alltagsnöte. Manche Früchte hat unser Baum gezeitigt, auch wenn wir es nicht im Einzelnen wissen.

Viele Vergleiche ließen sich noch finden.

In der hl. Schrift, angefangen vom Buch Genesis bis zur Offenbarung des Johannes begegnet uns immer wieder der Baum.

Bezeichnend ist es, dass der Psalm 1 den Menschen mit einem Baum vergleicht, der "Freude hat an der Weisung des HERRN und über seine Weisung murmelt bei Tag und bei Nacht. Er gleicht einem Baum, gepflanzt am Rande der Wasser. Der Früchte trägt zu der Zeit und dessen Blätter nicht welken: ja, alles, was er tut, es gelingt ihm."

Nur in der Übersetzung der Jerusalemer Bibel (1979) bekommen wir einen Hinweis, wie wir das Wort Gottes lesen sollen: nicht rasch, nicht oberflächlich, nicht lautlos, sondern hörbar murmelnd, immer wieder wiederholend wie es gläubige Juden heute noch tun.

So scheint das entscheidend für unser geistliches Leben zu sein: das Wort Gottes besinnlich zu murmeln, es wiederkäuen, um so von ihm Kraft und Stärke zu erhalten, um sich immer tiefer zu verwurzeln und sich dem Himmel immer mehr entgegen zu strecken.

Stephan Langer, der Chefredakteur der Wochenzeitung „Christ in der Gegenwart“ gibt uns in dieser schweren Zeit einen tröstlichen Hinweis. Er hat mehrfach mit Betroffenen, die sexuelle Gewalt erlitten haben, gesprochen und schreibt, dass er dabei die Erfahrung gemacht habe, "der sieht oder erahnt zumindest, dass es tief drinnen und trotz allem einen unverletzten Kern gibt. Nur deshalb überleben Kinder und Jugendliche… Das sollten wir mitnehmen in die dunklen Tage der Karwoche…" … Die Hl. Schrift ist wesentlich für uns. Aus ihr nur können wir leben. "Dann gibt es trotz allem Grund zur Auferstehungshoffnung."(Christ in der Gegenwart, 13, S. 2)

Sr. Beate Neuberth CJ