Was gibt uns Mut in schweren Zeiten? Ein Impuls

Lieber Wurzeln in den Himmel statt ein Brett vor dem Kopf

"Wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über", sagt Jesus im Lukasevangelium (Text siehe weiter unten) und ich fühle mich verstanden von ihm. Denn: Ich rede schnell, oft zu schnell, vor allem, wenn ich begeistert bin. Anders ist es etwa, wenn ich traurig bin – da kann ich auch sehr langsam werden.

Wie es uns geht, erkennen unsere Mitmenschen nicht nur am Inhalt dessen, was wir sagen, sondern viel mehr daran, wie wir es sagen. 80 Prozent der Information in einem Gespräch werden über das Sprechen, die Betonung und die Körpersprache vermittelt – und die laufen oft unbewusst. Wir können uns nicht verstellen, an unseren "Früchten und Blüten" – unserem Sprechen und unserem Handeln – erkennen die anderen uns. Und das ist gut so. Denn jemand, der die eigenen blinden Flecken nicht sieht oder vor sich wegläuft, kann einem Anderen keine Hilfe sein, sondern wird dessen Not eher verschlimmern. Authentizität macht uns verlässlich, deswegen gilt sie als hohes Gut. "Zeige Dich, wie Du bist und sei, wie Du dich zeigst", formuliert es meine Ordensgründerin Mary Ward.

Was passiert, wenn Herrscher nicht wahrhaftig sind, haben wir in den vergangenen Wochen gesehen: Dann werden lange Verhandlungen an langen Tischen geführt – während in der Schublade die Invasionspläne und Einmarschbefehle schon lange bereit liegen! Da werden Menschen hingehalten, um ein wenig länger aufrüsten zu können. Und der Splitter im Auge des anderen wird dann als Argument genommen, um mit dem Brett vor dem Kopf als Argument alles niederzuschlagen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht: Mir macht dieser Krieg Angst. Für mich ist das Vertrauen in eine friedliche Welt, mit dem ich große geworden bin als Kind des Mauerfalls, zerstört worden. Jetzt müssen wir über Krieg in Europa reden, Kerzen anzünden, die bangen Fragen der Kinder beantworten.

Was gibt mir Mut? Was lässt mich trotzdem noch an Frieden und eine bessere Welt glauben? Es sind all die Menschen weltweit, die sich zum Friedengebet versammeln – in Argentinien, Japan, Australien, Taiwan, in Deutschland ... Es sind die Menschen in Russland selber, die für Frieden und Meinungsfreiheit demonstrieren und die dafür ins Gefängnis kommen. All das gibt mir die Hoffnung, dass der Wunsch nach Frieden, dieser gute Baum, größer ist als der vergiftete Baum des Krieges, den einige Machthaber hegen und pflegen.

Was gibt den Menschen in Russland, was gibt uns hier den Mut und die Kraft, uns für den Frieden einzusetzen? Da können wir auf den Baum im Evangelium schauen. Was trägt den Baum?

Der Jesuit Peter Faber schreibt (gekürzt): "Bisher hast Du mehr Trost an der Größe des aus Gottes Gnade wachsenden Baumes gefunden als in seiner Wurzel. Du hast auf das Laubwerk geschaut, auf die Blätter, die Blüten und die Früchte. Darin gibt es viele Veränderung, weil sie noch wachsen – aber sie können keinen Trost und Bestand von Dauer bieten, wie die Wurzel es tut. Suche darum die Wurzel des Baumes nicht um ihre Früchte willen, suche vielmehr die Früchte und alles andere um der Wurzel willen! Suche Tag für Tag Halt und Einwurzelung in der göttlichen Gnade. Nicht die Frucht wird dich zur Herrlichkeit führen, sondern die Wurzel. … Und so kehrt der Baum sich: Die Wurzel wird zuoberst liegen, sie lässt alle Früchte herunterhängen und flößt ihnen ihre Wurzelkraft von oben ein."

Am Ende dreht der Baum sich um, am Ende kommt es auf die Wurzel an! Das wünsche ich Ihnen für die anstehende Fastenzeit: Drehen Sie Ihren Alltag um, kümmern sie sich um das, was Ihnen Kraft und Halt gibt!

Sr. Birgit Stollhoff CJ

Evangelium nach Lukas (Lk 6,39–45)

In jener Zeit sprach Jesus in Gleichnissen zu seinen Jüngern: Kann etwa ein Blinder einen Blinden führen? Werden nicht beide in eine Grube fallen? Ein Jünger steht nicht über dem Meister; jeder aber, der alles gelernt hat, wird wie sein Meister sein.

Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen!, während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen.

Es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, noch einen schlechten Baum, der gute Früchte bringt. Denn jeden Baum erkennt man an seinen Früchten: Von den Disteln pflückt man keine Feigen und vom Dornstrauch erntet man keine Trauben.

Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz seines Herzens das Gute hervor und der böse Mensch bringt aus dem bösen das Böse hervor. Denn wovon das Herz überfließt, davon spricht sein Mund.