Ansprache von Carmel Swords am 04. November 2025 in Loyola

Die Ansprache von Carmel Swords, ehemalige Generaloberin der Loreto-Schwestern, die sie am 04. November 2025 in Loyola zur Vereinigung von IBVM und CJ hielt, liegt nun auch in deutscher Übersetzung vor: 

"Heute wird gemäß Kanon 582 die Fusion des Instituts der Heiligen Jungfrau Maria mit der Congregatio Jesu durch das Dikasterium für Institute geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens genehmigt.  Dies ist ein freudiges, privilegiertes und lang ersehntes Fest. Das interaktive Mosaik von Mary Ward, überlagert mit Bildern von über 1.600 Mitgliedern der Kongregation, stellt sicher, dass alle anwesend sind. Angesichts unserer Geschichte und Mary Wards schwieriger Beziehung zu den Jesuiten ist es etwas ganz Besonderes, dass der Generalobere hier ist, um die Fusion zu bezeugen und zu segnen. An diesem Tag sind wir stärker integriert als je zuvor. Die Mission, die den Kern unseres Selbstverständnisses bildet, hat uns motiviert und zu diesem Moment geführt.  Für jeden Einzelnen und für die Leitungen beider Kongregationen war es eine spannende Reise, die Hoffnung, Mut und Risikobereitschaft erforderte. Wir wurden herausgefordert, mussten unsere Komfortzone verlassen und haben uns verändert. Das Magis – Was kann ich noch mehr für Christus und andere tun? – war unser Leitstern. 

 

Mary Wards Geschichte ist voller Krisen. Ihre ursprüngliche Berufung war stark, doch die Entfaltung ihrer Mission verlief langsam und mühsam. Von dem Moment an, als sie England verließ, suchte sie nach dem, was Gott von ihr wollte. Nachdem sie zunächst einige Zeit als externe Schwester verbracht hatte, fühlte sie sich zum Lebensstil der Klarissen hingezogen, nur um dann festzustellen, dass das klausurierte Leben nichts für sie war.

Eine falsche Wendung, eine Fehlleitung. Mary erkannte, dass Gottes Absichten für sie unklar waren und dass er in seinen Forderungen unerbittlich war.  Auch für den heiligen Ignatius verlief kaum etwas so, wie er es sich vorgestellt hatte. Er erwog, ein Leben in Buße und Entbehrung zu führen. Das war eine falsche Entscheidung. Er ging ins Heilige Land in der Überzeugung, dass er sein Leben dort verbringen würde. Eine weitere falsche Wendung. Er begann eine Karriere als Laienevangelist. Noch eine weitere falsche Wendung. Er dachte, Jesuiten sollten unbeschwert von Verpflichtungen leben, doch am Ende überwachten sie ein riesiges Netzwerk von Schulen. Wie Ignatius reiste Mary Ward mit Gott und zu Gott. Im Alter von vierundzwanzig Jahren, nachdem sie in ihr Heimatland zurückgekehrt war, brachte ein Moment blendender Klarheit die Eingebung der Gloriavision.

 

Etwas anderes, etwas Sicheres, etwas Gutes schlug Wurzeln. Langsam, ganz langsam wurde die Erleuchtung klarer. Gott ergriff die Initiative, und der Weg nach vorn wurde offenbart. Nach einem Prozess des bedachten, individuellen Erkennens erkannte Mary Ward, dass das apostolische Ordensleben für Frauen im Sinne des Heiligen Ignatius dieses sichere Gute war.   Es war radikal und revolutionär, im Widerspruch zu den vom Konzil von Trient festgelegten Klausurgesetzen.  Aus dieser Destillation der Gloriavision entstand ein nicht-klausuriertes, selbstverwaltetes Ordensleben für Frauen; Kontemplative in Aktion mit einem tiefen Sinn für die universelle Mission.

Mary Wards Streben nach dieser Berufung bedeutete großes persönliches Leid, doch sie gab nicht nach. Sie stellte sich selbst zurück, ohne Rücksicht darauf, was angenehm oder unangenehm war. Alles, was sie sich wünschte, war Treue zu Gott, und dafür litt sie bereitwillig. Sie verlor Freunde und machte sich Feinde. Sie verachtete Ehren und nahm Verachtung auf sich. Sie lehnte Reichtümer ab und nahm Armut auf sich. In schwersten Widrigkeiten blieb ihr ruhiger Glaube an den, der sie berufen hatte, unerschütterlich.

Ihre Haltung der Selbstentäußerung blieb standhaft. Sie verkörperte den Geist der Indifferenz, der Losgelöstheit, der Freiheit, das zu tun, was zur Ehre Gottes ist. Es war eine wunderbare Stärke und eine komplexe Herausforderung. 

 

Für Teresa Ball war der Weg zur Berufung einfacher. Als Schulmädchen in York spürte sie das Göttliche auf tiefgreifende Weise. Die Vorsehung führte sie zurück zum Bar Convent, um dort zur Gründerin ausgebildet zu werden. Ihre Ausbildung und Formung in York bildeten den Hintergrund, vor dem sie alle ihre Entscheidungen als Leiterin des jungen Instituts der Seligen Jungfrau Maria traf. Teresa bewies enormen Mut und Energie, als sie ihre jungen Mitschwestern auf lange und gefährliche Reisen schickte, um das Institut und seine Arbeit zu verbreiten. Die Reichweite und Anziehungskraft von Ignatius, Mary Ward und Teresa Ball waren und sind nach wie vor global. Alle drei verstanden die Bedeutung und Zentralität der Reise. Als Pilger waren sie wachsam für die leise Stimme, die auf das hinwies, was als Nächstes kommen würde. Sie lasen die Zeichen der Zeit und waren bereit, Risiken einzugehen, um Gott noch mehr Ehre zu erweisen. 

 

Seit 1609 hat sich das Charisma von Mary Ward immer wieder neu entfaltet. Das bewährte Gute hat sich an kulturelle Kontexte und wirtschaftliche und politische Anforderungen angepasst. Heute sind die Apostolate vielfältiger – digitale Evangelisierung, Eintreten für Gerechtigkeit und ökologisches Handeln, da sich die Bedürfnisse der VUCA-Welt [1] ständig ändern. In manchen Situationen sind die Anforderungen an den Dienst besonders hoch, vor allem in stressigen Kontexten. Glücklicherweise haben wir das Gebetsapostolat – Sesselmystiker, die sich mit zunehmendem Alter in das kontemplative Gebet hineinbegeben und uns mit Sanftmut und Engagement begleiten. Niemand wird von ihrer Beachtung ausgeschlossen, denn sie haben ein tiefes Interesse an jedem Menschen in allen Aspekten des Lebens. Sie glauben, dass ihr Apostolat ein transformativer Akt der Hoffnung und eine Verpflichtung gegenüber der Mission Jesu ist. 

 

Das Synthesedokument der Synode unterstreicht die Notwendigkeit, ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, wie geweihte Ordensleute ihre Charismen in den Dienst der Gemeinschaft und Mission in den Ortskirchen stellen und die bestehenden Wege zur Heiligkeit durch eine prophetische Präsenz bereichern.

Dies wurde kürzlich von Papst Leo bekräftigt, der glaubt, dass sich in der Geschichte der Kirche ein neues missionarisches Zeitalter eröffnet. Er erklärte: Wenn wir lange Zeit mit Mission das Wort „Aufbruch” verbunden haben, das Aufbrechen in ferne Länder, die das Evangelium nicht kannten oder in Armut lebten, so sind die Grenzen der Mission heute nicht mehr geografischer Natur, denn Armut, Leid und die Sehnsucht nach größerer Hoffnung haben ihren Weg zu uns gefunden.

Bei der Mission geht es nicht so sehr um das „Aufbrechen“, sondern vielmehr um das „Verbleiben“, um Christus durch Gastfreundschaft und Aufnahme, Mitgefühl und Solidarität zu verkünden.   

 

Das geweihte Leben ist eine radikale Berufung, Gottes zärtliche, vergebende Liebe zu bezeugen. Wir sind aufgerufen, uns auf das Experimentieren und die Kreativität einzulassen, die erforderlich sind, um im 21. Jahrhundert zu leben, das heute von künstlicher Intelligenz dominiert wird. Wenn wir über diese sichere gute Sache im Jahr 2025 nachdenken, wie bleiben wir dann der Gründungsvision treu und passen uns gleichzeitig an die neuen Realitäten an?

 

Beten wir als Kongregation und als Einzelne genug, unterscheiden wir genug? Was wird es uns ermöglichen, mit einer inspirierten, weiblichen Stimme in der Kirche und in unseren Einflussbereichen zu sprechen? Wenn wir einen langen, liebevollen Blick auf die Realität werfen, wie integrieren wir dann den persönlichen, gemeinschaftlichen und kongregationalen Niedergang in unsere Mission? Wie unterstützen wir wachsende Provinzen und erhalten florierende Missionen für die Zukunft? 

 

Unsere spirituelle Tradition ist reich an Gnade und Ermutigung. Ignatius, Mary Ward und Teresa Ball haben sich stets auf die aktuelle Realität eingestellt. Unsere Vorgehensweise hat sich über die Zeit bewährt.

Gott liebt uns und wirkt für uns. Diese lang ersehnte Fusion bietet eine wunderbare Gelegenheit, unsere Berufung in einer sich schnell verändernden Welt neu zu definieren und dabei spirituell geerdet, missionsorientiert und finanziell nachhaltig zu bleiben. Unser gemeinsamer Glaube an Christus gibt uns eine gemeinsame Sprache, gemeinsame Werte und ein gemeinsames Prioritätssystem. Eine der größten Stärken unseres Charismas besteht darin, dass es jede einzelne von uns dazu befähigt, auf ihre eigene Weise eine Führungsrolle zu übernehmen, indem sie Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Freiheit und Freude vorlebt. 

Also – an diesem besonderen, bedeutsamen Tag – zu welcher sicheren guten Sache fordert uns die Fusion heraus?

Was kommt als Nächstes? Ignatius, Mary Ward und Teresa Ball fürchteten weder Unsicherheit noch Schwierigkeiten. Als Frauen im Herzen der Kirche wollen wir diesen unbekannten Weg um der Sendung willen gehen. Vertrauen wir auf die Magie des Anfangs und lassen wir uns mutig von heiliger Indifferenz leiten, in der Gewissheit, dass der Herr uns in den kommenden Jahren führen und leiten wird."


[1] Anmerkung der Übersetzerin

VUCA (deutsch: VUKA) beschreibt die aktuell massiven Veränderung in der Welt. Der Begriff VUCA ist ein Akronym und setzt sich zusammen aus den Anfangsbuchstaben der Begriffe, die diese radikalen Veränderungen und neuen Rahmenbedingungen im VUCA Modell kennzeichnen:

  1. Volatility (Volatilität) Schwankung oder Unbeständigkeit. 
  2. Uncertainty (Ungewissheit)
  3. Complexity (Komplexität)
  4. Ambiguity (Ambiguität) Doppel- oder Mehrdeutigkeit.

 

 Übersetzung ins Deutsche: Sr. Simone Remmert CJ