Betrachtung "Vom Tod"

Eine Exerzitienbetrachtung Mary Wards aus dem April 1619

Die Fastenzeit ist für viele Menschen eine gute Zeit für Exerzitien. Auch Mary Ward lebte aus der Kraft der Gottesbegegnung bei den Exerzitien. Vor genau 400 Jahren zog sie sich zu Exerzitien zurück, die rückblickend etwas Besonderes waren. Mit ihren Aufzeichnungen aus dieser Zeit beschäftigen wir uns an den Sonntagen der Fastenzeit 2019. Am zweiten Fastensonntag steht dabei eine Betrachtung im Mittelpunkt, die Mary Ward mit "Vom Tod" überschreibt. Sr. M. Immolata Wetter CJ schreibt dazu in den Schulungsbriefen (S. 151 ff.):

"In der Aufzeichnung tritt deutlich die Sorge hervor, mit der Maria Ward in die stillen Tage gegangen war. Es steht vor ihrem Geist die Frage, ob der eingeschlagene Weg richtig sei, ob ihr Verhältnis zu dem Werk in der Ordnung Gottes stehe.

Was sich in der Gebetsstunde begab, lässt sich in vier Phasen überschauen. Nach einem einleitenden Ruhigwerden prüft sich Maria in Gottes Gegenwart über ihre Einstellung. Sie will nicht auf ihren Plänen bestehen, ohne die Sicherheit, auf dem rechten Weg zu sein. Sie sucht Klarheit.

Der Tod trennt den Menschen von allem. Wie wäre es, so mag sie gedacht haben, wenn du jetzt dieses junge Institut verlassen müsstet? Sie gesteht, dass sie sich noch nicht von ihm lösen möchte. Solange die kirchliche Bestätigung dem Werk nicht die nötige Festigkeit verleiht, kann es leicht Wandlungen unterworfen werden, die es grundsätzlich umgestalten. Doch lässt sie ihre Unentbehrlichkeit nicht gelten. 

Die zweite Phase gilt dem Suchen nach dem rechten Verhältnis zu ihrer Gründung: Es geht ihr um die Verankerung im Willen Gottes. Sie beginnt mit der Hinwendung zu Gott, der seinen Willen ausführen kann durch wen immer er will. Da sie sich durch die Überzeugung von ihrer Notwendigkeit gebunden fühlt, bittet sie Gott um innere Freiheit. Sie will sich sehen, wie sie ist. Es ist nicht leicht, hat der Mensch doch für sich selbst immer eine besondere Schonung, Milde, Entschuldigung bereit. Auch ihre Gebet enthebt sie zunächst nicht ihrer Verlegenheit. Darum wiederholt sie es. Um Abstand zu gewinnen, geht sie den Weg nach, den sie seit der Zeit ihrer Berufung durchlaufen hat. Die Überlegung führt sie zu größerer Klarheit. Zunächst sieht sie, dass Gott alles zu danken ist: Er hat sie das Werk beginnen lassen, hat ihr den weiteren Weg aufgetan, auf ihn ist es ausgerichtet. Maria kann sich sagen, dass sie um den Herrn willen ihren Weg gegangen ist. 

Ihr Problem bleibt aber noch ungelöst. Sie fragt jetzt in einer tieferen Zone nach dem Verhältnis, dass sie zu dem Werk einnimmt, und begreift, dass sie zwar die Gabe Gottes empfangen hat, dass aber ihre Leben auch weiterginge, wenn sie ihr entzogen würde.

Dies ist der Ausgangspunkt für die dritte Phase der Gebetsstunde. Überzeugt, dass sie klein und ohne besondere Bedeutung für das Werk ist, kommt ihr dennoch vor, dass sie noch nötig sei. Dem Klammerausdruck zufolge besteht ein Widerstreit zwischen Einsicht und Willen. Sie misstraut ihrer Einsicht, kann sicher aber nicht aus eigener Kraft von ihr lösen. Sie überspielt nun diese Einsicht nicht mit frommen Worten, sonder hält sie Gott hin und nimmt sich ihrer Armut an. Nach einer ersten Übergabe ihrer selbst an den Herrn sieht sie sich geringer und erkennt Gottes Macht besser. Dann bietet sie Gott ihre Bereitschaft an zu sterben, bevor die Bestätigung erreicht sei. Da erfährt ihre geistliche Energie eine Korrektur. Sie soll sich ruhig auf den Willen Gottes ausrichten, glücklich und zufrieden mit dem, was Gott ihr zumisst.

In der vierten Phase dringt zunächst wieder die innere Aktivität durch, wird dann aber aufs Neue sanft ins Gleichgewicht gebracht, in die rechte Mitte: ruhig zu sein im Willen Gottes. Der Absatz ist auch im Autograph eingerückt."

Mary Wards Aufzeichnung lautet:

"JHS
Vom Tod

Traurigkeit und Dunkel für eine geraume Weile, ohne dass ich etwas verlangte oder zurückwies. Als ich mich aufmerksamer mühte, auf Einzelheiten einzugehen, empfand ich ein Widerstreben, diese Gesellschaft zu verlassen, bevor sie bestätigt wäre. 

Der Grund hierfür: Es möchten die späten Mitglieder etwas anderes daraus machen, und hier hielt ich mich (gegen meinen Willen) von einige Bedeutung; und ich glaubt, dass man mich ohne Nachteil für dieses Werk nicht entbehren könnte. Ich wusste, dass dies eine Lüge sei und nicht gutem Boden entstammte. 

Ich demütigte mich selbst (wenn auch mit einiger Schwierigkeit) und bekannte die Macht Gottes, der seinen Willen durch wen auch immer ausführen kann, doch verstand ich das nicht auf andere Weise, als er mir durch den Glauben vorgestellt wird. Ich bat Got, mich davon frei zu machen und suchte nach Gründen, um mich in meinen eigenen Augen als die erscheinen zu lassen, die ich war. Etwas verwirrt, wiederholte ich oft, dass er tun könne, was und durch wen er wolle. Ich fragte mich selbst: Warum nicht durch irgendjemand anderen ebensogut wie durch mich? Rückblickend, wie alles am Anfang meiner Berufung zu diesem Stand verlaufen war, sah ich im Einzelnen (es ist gut für mich, dies in einer Zeit der Muße aufzuzeichnen, aber zu lang, um es hier einzufügen), unter wieviel Schwierigkeiten und Mühen ich durch Gott dazu gebracht wurde, das Wenige auszuführen, das ich getan habe. Als ich die Einzelheiten überdachte, sah ich etwas ganz klar ein, was mein Urteil bekräftigte, dass nämlich Gottes Wirken Anfang und Mitte und Ende und einzige Ursache war, warum. Dass mit solchen Gnaden jeder andere ebenso rasch ans Werk gebracht worden wäre, ja viele noch rascher, und dass dieses Gut nicht in mir seinen Bestand und seinen Platz hatte, sondern einzig ein Werk der Gnade war. Diese Gnade war zwar in mir, doch etwas ganz Verschiedenes von diesem meinem Ich: Und ohne sie möchte ich den Bestand dieses Gutes gar nicht haben; würde es mir entzogen, so müsste ich bleiben, wie ich war.

Als ich mich dann zu Gott wandte, um meine eigene Nichtigkeit zu bekennen, fand ich (durch den Willen, gegen meine Einsicht), dass ich noch von Bedeutung und eine notwendige Person wäre. Ich sagte darauf traurig: Wie bin ich noch etwas in meinen eigenen Augen trotz all dieser Gründe und Wahrheiten, die das Gegenteil bezeugen? Gut, mein Herr, ich gebe mich mit dieser Armseligkeit zufrieden. Verzeihe sie und strafe sie, wie es dir gefällt. 

Als ich zuende kam und mich selbst Gott anbot, sah ich mich klein und von geringer Bedeutung für dieses Werk. Gottes Wille und Weisheit erschien dagegen groß, seine Macht gewaltig und von solcher Kraft, dass ER in einem NU oder auch nur mit einem Blick ausführen konnte, was immer ER wollte. Und vor dieser Größe schmolz die Macht allers einer Kreaturen (die ihm Wiederstand leisten) dahin und verlor in einem Augenblick ihren Bestand. Ich wandte mich wieder zu mir selbst zurück und bot ihm liebend an, zu verlassen, was mir teuer war, voll Verlangen zu sterben, bevor dies getan wäre, auf dass sein Wirken darin umso mehr erscheine. Angeregt nichts zu wünschen, außer den Willen Gottes, sagte ich innerlich: Weder Leben noch Tod mein Gott, aber dein heiliger Wille soll immer in mir geschehen: Tue, was dir am besten gefällt. Nur dies, dass ich dich nie mehr beleidige und nicht versäume, dass zu tun, was du von mir willst.

Die Stunde kam mir kaum wie eine halbe vor, ich flehte ihn an, dass dies, was ich nun einsah und tat, mir helfen möge, wenn ich im Sterben wäre; denn vielleicht wurde [sic] jene äußerste Not, mich dann unfähig zu allem machen.

Das bleibt noch vor mir und ich finde ein großes Verlangen in mir, vorher zu sterben, dass Gottes Ehre und die trügerische Einbildung von meiner Eignung umso deutlicher sichtbar werden; aber ich glaube, dass meine Sicherheit und mein Heil darin besteht: einzig in Gottes Willen zu ruhen, und das tue ich und will es für immer - - - ."

Hinweis:

Den ersten Teil der Betrachtungen aus den Exerzitien Mary Wards im April 1619 können Sie hier nachlesen.