Erinnerungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs

Am 8. Mai vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Zwei Schwestern, die sich mit der Aufarbeitung der Geschichte beschäftigen, haben bewegende Zeugnisse aus dieser Zeit gefunden, die sie mit uns teilen.

Bamberg

Blick in die Chroniken: 75 Jahre Kriegsende…

Sr. Beate Neuberth CJ berichtet: Dieses Ereignis war zu Recht in diesen Monaten immer wieder in den Medien zu finden. Vor 75 Jahren haben unsere Mitschwestern z.B. in Bamberg eine schwere, bewegende Zeit erlebt, die wir nicht vergessen sollten.

Das Chronik-Buch des Bamberger Hauses erzählt die Höhen und Tiefen, den Alltag einer großen Kommunität, die im Laufe des „1000-jährigen Reiches“ immer mehr von ihrer Kernaufgabe entfernt wurde, kreative Neuanfänge startete und sich nicht unterkriegen ließ.

In ordentlicher deutscher Schrift können wir den Eindruck lesen, den die Chronistin sicher erst nach der Kapitulation aufgeschrieben hat, am 8. April 1945 beginnend:

„Der Krieg, der uns bis jetzt mit seinen vielen Alarmen u. Warnungen vor Luftangriffen viel schlaflose Nächte, zeitraubende Sitzungen im Luftschutzkeller u. sonstigen Aufregungen eintrug, kam am weißen Sonntag an in ein solches Tempo, daß sich die Ereignisse ganz überstürzten. Mit Rücksicht darauf wurden die Erstkommunionfeiern schon früh um ½ 7 h angesetzt mit kurzer Predigt. Unter der hl. Messe ertönte Voralarm, gleich nach der Feier Hauptalarm, so daß viele der kleinen Erstkommunikanten den Luftschutzkeller ohne Frühstück aufsuchen mußten.

Untertags wurden Munitionszüge beschossen, es war beständige Gefahr durch Bordwaffen u. Tiefflieger, bis am Abend die Entwarnung wieder nur Beschüsse folgten u. uns auf unserer Flucht in den Luftschutzkeller die Fensterscheiben von den Stiegengängen entgegenflogen. Gottlob wurde von den Glassplittern niemand verletzt.

Explosionen u. Alarme wechselten …ab, so daß wir die Nacht im Luftschutzkeller beim Allerheiligsten verbrachten. Früh um 4 h wurde ein Daueralarm von 5 Min. gegeben, der uns sagen sollte, daß der Feind im Bereiche der Stadt sei. Um 5 h wurden mit furchtbarem Getöse u. Krachen die Brücken gesprengt u. weitere Sprengungen angekündigt. Man reichte uns wie in der Katakombenzeit im Keller die hl. Kommunion, die einem wie Viatikum (= Wegzehrung) vorkam. … Für die Stärkungen des Leibes mußte man die Augenblicke förmlich erspähen.

Wir beteten täglich gemeinsam den Rosenkranz, in der Meinung die lb. Muttergottes möge doch das Unheil, das uns von allen Seiten drohte, glücklich vorübergehen lassen… Doch es schien, als ob der Feind Abschwenkungen machen wollte, denn der Artilleriebeschuß kam einem etwas entfernter vor.

Ein unheimliches Bangen lag über allen Gemütern; wir kamen mehrere Tage und Nächte nicht aus unseren Kleidern… Am 12. April abends setzte der Artilleriebeschuß des Feindes mit einer Wucht ein, daß wir …eine wahre Schreckensnacht durchlebten. Das Krachen und die Einschläge waren furchtbar, weil die Stadt sich zur Wehr setzte; es entstanden Brände u. weitere große Schäden, so daß Augenzeugen sagten, man könnte weinen über die Verheerungen in der schönen Stadt Bamberg.

Unser Institut kam mit geringeren Verletzungen davon, während rechts und links die Bomben und Granaten großes Unheil anrichteten…Wir wurden durch die sich widersprechenden Gerüchte, die Stadt ergibt sich – oder sie ergibt sich nicht, was uns Terrorangriffe eingetragen hätte, immer in Bangigkeit versetzt. Endlich am Samstag gegen Morgen kam die Nachricht, die Stadt würde übergeben. Aufatmend verließen wir den Luftschutzkeller, empfingen in der Kirche die hl. Kommunion u. wohnten in innigem Dank für Gottes Schutz u. Hilfe der hl. Messe bei.“…

Nürnberg

Aus der Chronik, Band 3

Das Haus an der Tafelhofstraße war viele Male von schweren Bombenangriffen getroffen worden, besonders am 21. Februar und am 16. März 1945. Das gesamte Gebäude war eine einzige Steinwüste. Zwei Schwestern fanden den Tod.

„Wir waren als klösterliche Gemeinde in alle Winde zerstreut.  Wir besaßen nichts mehr als Trümmer, hatten alles verloren... Eine Steinbaracke in der ehemaligen Kaserne wurde uns zugewiesen (für drei Mitschwestern), ohne Fenster und Türen, ohne Stuhl und Bett.
Nun hieß es, eine neue Heimat, eine neue Arbeitsstätte zu suchen und aufzubauen. Eingaben, Bettelgänge, Vorschläge ohne Ende! ...

Die kleine Steinbaracke sollte den Mitgliedern als Wohn- und Schlafstätte dienen und der größere Raum zur Wiederaufnahme des Kindergartens. In einem räumlich äußerst beschränkten Zimmer der Baracke konnte ein Betraum eingerichtet werden. Und die Schule, unser eigentliches Tätigkeitsfeld?

Am 3. Juli wurde uns von der Militärregierung das Gebäude 2e innerhalb des Kasernenhofes zugesprochen...Eine Ruine im vollsten Sinne des Wortes: Ohne Dach, ohne Fenster, ohne Türen! Die Bretter der Fußböden hatten sich Diebe geholt. Die Parterreräume waren von der Kaserne als Pferdeställe benutzt worden; sie sahen danach aus! ...

Nun hieß es unter schwierigsten Verhältnissen Baumaterial zur Instandsetzung herbeizuschaffen. Dabei brauchte man zu allem – nur die Atemluft ausgenommen – Bezugscheine. Diese Scheine waren sehr schwer zu bekommen, besonders für Baumaterial.
Einige Mitschwestern leisteten dabei hervorragende Dienste. Mater Emanuela gelang es ...
in verschiedenen Dörfern 37 Baumstämme zu erbetteln. Diese waren zum Teil an den Ortseingängen gelagert, zum Teil noch im Wald. Mater Annuntiata und Mater Theobalda erreichten die leihweise Überlassung von 2 Langholzwagen, fuhren selbst von Ort zu Ort mit...

Nächtliche Polizeistreifen verhinderten einen weiteren Diebstahl. Dann galt es Glas zu erstehen. 4 – 5 Tage dauerte die Bettelfahrt der beiden in die Gegend um Marktredwitz. Vor einer Glasfabrik stand eine Anzahl Kisten mit durchschossenen Glasplatten, eine Arbeit durchziehender Siegermächte. Bezeichnend ist die Zumutung eines Glasfabrikanten, er wolle das benötigte Glas liefern, wenn die zwei Mitschwestern beim Pfarramt die Entfernung der in seinem Wohnhaus untergebrachten Flüchtlinge erreichen würden. Natürlich verzichteten sie auf das Angebot.

Die Nägel besorgte Mater Elisabeth aus Burgfarrnbach, Ziegelsteine bekamen wir durch Mater Rita in Neufahrn. Selbst bei der Zurichtung der Ziegel halfen die Schwestern...

Am 14. März 1946 kam die Genehmigung zur Wiedereröffnung der Schule. Aber es fehlte an Schulmöbeln! Die Stadtverwaltung stellte uns eine Reihe von Schulbänken leihweise zur Verfügung. Aber sie reichten nicht aus. Zur Neubeschaffung war ein Holzschein notwendig; der war aber nicht zu bekommen! Da machten sich Mater Annuntiata und Mater Theobalda wieder auf den Weg. Bis Geroldsgrün im Frankenwald mussten sie fahren und zum Teil wandern, um endlich in Stoffelsmühle die Zusage zur Anfertigung ... zu erhalten. Aber eine neue Schwierigkeit: Wer sollte sie abholen und womit? Die deutschen Lastwagen waren entweder beschlagnahmt oder zerstört oder ohne Treibstoff. Mater Benedikta wandte sich an die Militärregierung um zwei Lastwagen. Abgewiesen! Und die Schublbänke kamen!

Da unsere Schwestern im Plärrerviertel noch fremd waren, galt es erst neue Geschäftsleute ausfindig zu machen. Tag für Tag mussten unsere Schwestern mit einem geliehenen Brückenwagen – der unsrige war zerstört – durch die belebtesten Straßen über den Plärrer nach der Tafelhofstraße fahren um von der Schuttstelle Holz zu holen. Da in der Baracke buchstäblich alles fehlte, musste jeder Nagel, jedes Schräubchen auf endlos langen und staubigen Wegen zusammengeholt werden...“

Woher nahmen die tapferen Frauen die Kraft und den Mut, mit diesen Schwierigkeiten fertig zu werden?

Zusammenfassung von M. Dolores Kroiß CJ, Bamberg