Glaube im Alltag: Impuls zum Sonntag

Als Jesus anfing, hatte seine Botschaft einen Wortlaut, der nicht von ihm stammte. Im Matthäus-Evangelium liest man: "In jenen Tagen trat Johannes der Täufer auf und verkündete: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe." (Mt 3,1-2) Und: "Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, begann er zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe." (Mt 4,12.17)

Haargenau der gleiche Satz. Mir kommt jedes Mal, wenn ich das lese, das Bild, als übernähme Jesus ein Amt, das, indem Johannes mundtot gemacht wird, vakant wird. Jesus "springt ein". Er übernimmt "die Stelle", das Anliegen, in berührender Leichtigkeit, ohne etwas Besonderes für sich daraus zu machen. Der Sohn Gottes ist nicht dagegen, den Stab da zu übernehmen, wo er zu Boden fiel und so, wie er zu Boden fiel.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich die heutige Situation also von der Situation Jesu. Jesus kann die Botschaft unverändert weitertragen. Während wir, oder viele in der Kirche, das eingefleischte "Weiter-So" fürchten und dazulernen wollen als Kirche: im praktischen Verhalten, in der Wortwahl, in der Amtsführung.

Aber auf den zweiten Blick sieht man das Verbindende. Jesus merkt, dass da plötzlich eine Stimme fehlt, die gebraucht wird. Da ist das Volk, das im Dunken sitzt. Aber Jesus ist zugleich da. Beides zusammen ist nicht stimmig. Aber genau das ist die Situation von heute. Ich schreibe diese Zeilen wenige Tage nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens des Erzbistums München und Freising. Bis diese Zeilen gedruckt werden, kann ich nur hoffen, dass sie dann noch passen und auch noch etwas sagen. Denn wir lernen im Moment jeden Tag hinzu, hoffentlich. Es braucht die Öffnung jedes Schuldigen.

Gerade da hilft nur eines. Und Johannes und Jesus sagen es wie aus einem Munde: "Kehrt um!" Solange jeder so Angesprochene seine eigene Sicht für die gute hält und die dagegenstehende als Angriff auf das Gute interpretiert, ist eine gemeinsame Unterscheidung der Geister noch nicht gelungen. Der Schuldige  muss sich auch der eigenen Schuld bewusst werden, in der ersten Person: "ich". Und er muss an dieser Erkenntnis ein lebendiges und brennendes Interesse haben. Sonst wird daraus nichts. Denn für den wirklich Schuldigen ist das Erkennen schwer. Auch wenn andere bei der Aufklärung helfen. Es ist aber möglich - gemeinsam möglich. Selbsterkenntnis, Reue, Umkehr. Buße. Lernen. Das hilft.

Ich glaube, Jesus hat da nicht einen beliebigen Satz aufgegriffen. Sein Aufgreifen ist nicht das gefürchtete "Weiter-So". Es st ein echtes "Weiter". Jesu Botschaft führt uns weiter. Wir sollen sie hören und vor allem tun und wir sollen sie, ohne etwas für uns daraus zu machen, anderen sagen, wenn die, die sie uns gebracht haben, nicht mehr reden dürfen oder können. So sind wir in Galiläa, ganz am Anfang der Nachfolge Jesu.

Sr. Britta Müller-Schauenburg CJ

Vielen Dank an die Augsburger Katholische Sonntagszeitung, in der dieser Text zuerst erschien.