"Mach das, das ist dein Ding"

Das Organisationsteam im Bällebad

Birgit, du warst bei Projektleitung, der inhaltlichen Vorbereitung und Organisation, für den Kirchentag Hannover dabei – und zwar im Zentrum „Junge Menschen“. Wie ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Ich leite das Jugendpastorale Zentrum Tabor – das gehört zum Bistum Hildesheim. Und ich weiß, dass die Projektleitungen immer auch mit Beteiligung der anderen Konfession geplant werden. Wie die dann genau auf mich gekommen sind, weiß ich nicht – ich vermute, dass mich ein netter Mensch aus dem Dekanat oder der Abteilung Jugendpastoral vorgeschlagen hat. Und dann hatte ich zwei nette Vorgesetzte, meine Provinzoberin und meine Chefin in der Jugendpastoral, die das beide sofort unterstützt haben: „Mach das, das ist Dein Ding!“

Hast du als Schwester der Congergatio Jesu manchmal gefremdelt in diesem ur-evangelischen Milieu? Oder waren da auch viele Momente echter Ökumene?

Ich glaube, das Ökumenischste war, dass es eigentlich nie eine Rolle gespielt hat, ob ich oder die angemeldeten Veranstaltungen katholisch oder evangelisch oder sonst etwas waren! Ich habe mich auch nie als „die katholische Vertretung“ gefühlt. Was ich gemerkt habe, ist, dass ich die Namen, die VIPs und die Gruppen und Abkürzungen nicht so kenne - also was der VCP ist, wer Anna-Nicole Heinrichs ist, musste ich erst lernen. Aber da hat jede Gruppe ihre „kodierte Sprache“ – ob das jetzt eine Partei ist oder eine Kirche. Gefreut hat mich, wie der Kirchentag die Stadt – Hannover – verändert hat in der Zeit – beim „Abend der Begegnung, bei den Festen, in der Innenstadt…

Ich könnte mir vorstellen, dass das Organisations-Team nicht erst drei Monate vor dem Kirchentag mit der Arbeit begonnen hat. Wie aufwändig ist die Organisation so einer Veranstaltung?

Die Vorbereitung hat vor über einem Jahr begonnen und wir haben uns mehrere Tage getroffen. Ich wusste, dass das viel Arbeit ist und der Kirchentag auch feste Hauptamtliche hat – aber diese Riesenorganisation dann so im Detail und so früh mit allen Listen und Infos und dem Büro in Fulda und tausend anderen Dingen kennenzulernen, fand ich dann doch manchmal erschlagend. Ein Highlight in der Planung für mich war etwa, dass wir uns einen Tag mit dem Architekten getroffen haben, der den Kirchentag – und zwar nur den Kirchentag - plant. Da haben wir als ehrenamtliches Gremium diskutiert, ob wir das „Zentrum Junge Menschen“ an der Messe ansiedeln wollen oder etwas abseits in einem Park im Stadtteil Vahrenwald. Und es war unsere Entscheidung, dass wir die Jungen Menschen nicht „ab vom Schuss“ sondern mitten im Geschehen auf der Messe haben wollten.

Euer Programm für die jungen Menschen war sehr vielfältig und lebendig: Weißt du, welche Workshops oder andere Programmpunkte besonders gut angekommen sind bei den jungen Teilnehmern?

Ich glaube, gut angekommen sind eher so die aktiven und konkreten Sachen – also Bewegungsspiele zur Auflockerung im Reli-Unterricht, von der katholischen „Christlichen Arbeiterjugend“ (CAJ) war der Workshop „Rechtsextreme Codes“ erkennen immer überfüllt, alle Bibel-Escape-Rooms waren ausgebucht.  Die Sport- und Erfahrungsmeile kam gut an. Was ich besonders toll fand: Es gab etwa eine Rollstuhlparcours und Rollstuhlbasketball zum Testen oder ein Dunkelcafé. Da läuft Inklusion über das einfache „Erfahrungen machen“ und sie läuft so am besten!

Welche Begegnungen sind dir in besonderer Erinnerung geblieben?

Am zweiten Tag kam ich dazu, als eine Teilnehmerin vor einer verschüchterten Helferin getobt hat. Ich bin dann dazwischen gegangen: Erst habe ich die Teilnehmerin beruhigt, dann der – erleichterten - Helferin gesagt, dass sie sich sowas nicht bieten lassen muss und ihr meine Handynummer gegeben, falls das nochmal vorkommt. Als ich am nächsten Morgen zu einer Besprechung durch eine überfüllte Halle musste, die von Helfer:innen „bewacht“ wurde, habe ich mir schon gedacht: „Oh Mist, muss ich denen jetzt erklären, dass ich als Projektverantwortliche da trotzdem reindarf?“. Und an der Halle angekommen, strahlt mich eine Helferin an: „Wir kennen uns von gestern!“ und die Freundin: „Sie hat uns das erzählt!“ So schnell entstehen kleine Beziehungen und Freundschaften am Kirchentag! Toll war auch die Zusammenarbeit mit den Objektleitungen – da war der Härtetest die „Evakuierung“ von Workshops wegen der Sturmwarnung aus den Zelten in die Halle. Und das Bier und Gespräch mit Kolleg:innen, den Mitschwestern und Freund:innen beim Gute-Nacht-Café im Tabor…

Was kannst du, die du vorher „nur“ Standdienste bei Katholiken- und Kirchentagen gemacht hat, mitnehmen an Erfahrungen? Jetzt – wo du sozusagen auf der anderen Seite gewesen bist…

Ich glaube, ich habe viel mehr Respekt vor dem, was da alles an Arbeit drinnen steckt. Ich war früher zum Beispiel eher genervt von den vielen langen Info-Mails dazu – jetzt weiß ich, wie viel Arbeit und Klärung dahintersteht. Wobei ich sie, befürchte ich, in Zukunft aufmerksamer, aber nicht begeisterter lesen werde. Und ich nehme ganz, ganz viel Dankbarkeit mit! Es war ein besonderer Kirchentag für mich – mit den anderen Verantwortlichen, mit den Kolleg:innen aus dem Tabor und der katholischen Welt, die tolle Angebote gemacht haben, und mit den Mitschwestern, die da viel Verständnis für mich hatten. Um es in meinem geliebten Schwedisch zu sagen: Tack så mycket! (Vielen, vielen Dank!)

 

Fragen: Christina Waechter, Foto: Carsten Corinth