Muss die Pistole ins Bild?

Katholische und evangelische Frauen tagen zu Medienberichterstattung in Zeiten der Krise

"Ich habe viele neue Informationen erhalten", fasst Sr. Marianne Milde CJ die Eindrücke der Medientagung der BLM zusammen. So sei es sicher nicht einfach, in Situationen mit unklarer Faktenlage unter Zeitdruck als Journalist zu berichten. „Früher war man schnell, wenn man einen Brief innerhalb von 14 Tagen beantwortet hat. Heute muss man innerhalb von 15 Minuten auf ein Thema in den Social Media reagieren, sonst heißt es, man hätte es verschlafen“, betonte auch der Vorsitzende der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien, Siegfried Schneider. 80 Frauen nahmen am 23. November an der Landestagung der AG Katholischer Frauen Bayerns und der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien teil. Das Thema „Muss die Pistole ins Bild? Medienberichterstattung in Zeiten der Krise“ war nach verschiedenen krisenhaften Ereignissen des Jahres 2016 immer noch höchst aktuell.

Der 22. Juli 2016 war vielen Teilnehmerinnen noch lebhaft in Erinnerung: An diesem Freitagabend erschoss ein 19-Jähriger im Olympia-Einkaufszentrum in München neun Menschen, bevor er sich selbst tötete. Anfangs war nicht klar, ob es nur einen Tatort oder mehrere gab. Dies führte zu Panikreaktionen in verschiedenen Teilen der Stadt. Da keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr fuhren, waren Angehörige und Freunde von Menschen, die sich in München aufhalten, in großer Sorge. Die Fernsehsender zeigten mangels neuer Fakten immer dieselben Bilder von flüchtenden Menschen und Polizeisperren. Auch ein Handyfilm eines schießenden Mannes gelangte in die Programme. Der Täter, wie später klar wurde, hielt die Pistole beim Gehen scheinbar lässig in der Hand, bis er wieder schoss. Die ständige Wiederholung dieses Films mit dem Schützen konnte bei manchen, labileren Menschen zur Idolisierung des Täters führen. Ulla Kriebel, Medienrätin der katholischen Frauenverbände, erinnerte und wunderte sich: „Ich habe selbst einen Mann davon sprechen gehört, wie toll der Schütze die Pistole in der Hand hält…“

Keine voyeuristische Darstellung

Kritisiert wurden auch Bilder von zugedeckten Leichen oder der Behandlung von Verletzten vom selben Abend. Heinz Heim, Bereichsleiter Programm bei der BLM, arbeitete an Hand echter Nachrichtenbeispiele den Verlauf des Abends noch einmal heraus und stellte klar, was journalistisch zulässig ist und was nicht: „In Deutschland ist es nicht erlaubt, sterbende oder schwer leidende Menschen zu zeigen. Auch eine voyeuristische oder effekthascherische Darstellung ist verboten. Die Frage ist aber, was im Einzelfall effekthascherisch ist und ob sich das im Einzelfall nachweisen lässt.“ Dass das nicht einfach ist, wurde in der anschließenden Diskussion deutlich: Viele Teilnehmerinnen ertrugen den Anblick von Verletzten oder auch des Schützen, um informiert zu sein, während andere derartige Bilder zurückwiesen. „Das geht gar nicht. Das verstößt gegen die Menschenwürde“, meinte eine Teilnehmerin beim Bild eines abgedeckten Körpers, wo die weiße Plane mit rotem Blut befleckt ist.

Einig waren sich die Teilnehmerinnen darin, dass es nicht einfach sei, eine akute Krisensituation journalistisch zu bearbeiten: Neben der Beschaffung und Einordnung von verlässlichen Informationen müsse auch in kürzester Zeit eine Abwägung getroffen werden, welche Bilder und Filmeinspielungen veröffentlicht werden könnten. Dies alles erfolge unter Zeitdruck angesichts des konkurrierenden Medienangebots aus dem In- und Ausland, wo teilweise andere Gesetze gelten. Um bei den Ereignissen des 22. Juli zu bleiben: Sky News zeigte das Gesicht des Täters und nannte seinen vollen Namen, denn in Großbritannien hat der Sender deswegen keine Sanktionen zu erwarten...

Text und Bild: Gabriele Riffert