Welttag der sozialen Gerechtigkeit 2019

„Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen“ (Mt 25, 35 b)

Die Schwestern der Congregatio Jesu in Passau beherbergen Flüchtlingsfrauen mit ihren Kindern

„Dass ich irgendwann einmal ‚Oma‘ genannt werde, damit habe ich ja niemals gerechnet.“ Sr. M. Manuela Kastner CJ lacht, als sie erzählt, was zu den unerwarteten Dingen gehört, die mit ihren neuen Nachbarinnen verbunden waren. Dass es zu dieser für eine Ordensschwester in der Tat eher ungewöhnliche Bezeichnung kam, liegt daran, dass die Schwestern der Congregatio Jesu das Thema Gastfreundschaft ganz wörtlich genommen haben.

Als im Sommer 2015 tausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, stellte die Unterbringung der Menschen eine der größten Herausforderungen dar. Die Congregatio Jesu entschloss sich, zu helfen. An zahlreichen Orten engagierten sich Schwestern in der Flüchtlingshilfe, in Eichstätt und Hannover wurden Wohnungen zur Verfügung gestellt und eine Schwester besucht Frauen in Abschiebehaft.

Auch Passau gehörte zu den Städten, in denen besonders viele Menschen ankamen. Und so bat die Provinzoberin der Mitteleuropäischen Provinz der Congregatio Jesu die Schwestern in Passau zu prüfen, ob sie nicht das benachbarte Gäste- und Exerzitienhaus als Unterkunft für geflüchtete Menschen zur Verfügung stellen könnten.

Segensreiche Entscheidung

„Anfangs ist uns diese Entscheidung gar nicht so leichtgefallen“, erinnert sich Sr. Manuela, die damals Oberin in Passau war. „Wir haben viel diskutiert und gebetet. Aber dann wurde uns klar, dass wir gar nicht anders können, als diesen Familien zu helfen.“ Nach den notwendigen Umbaumaßnahmen und Renovierungsarbeiten zogen Anfang 2016 die ersten zwei Familien ein. Doch die Hilfe blieb nicht beim Wohnangebot stehen. Sr. Virginie bot gemeinsam mit einer Dame aus der Gemeinde Deutschkurse an, Sr. Manuela passte auf die Kinder auf, malte und spielte mit ihnen und brachte ihnen so ganz nebenbei die ersten deutschen Wörter bei.

„Natürlich war das für uns alle neu und anstrengend war es auch, wir sind ja schließlich alle nicht mehr die jüngsten. Aber wir haben sofort gespürt, dass dieses Angebot eine segensreiche Sache ist.“ Schnell fanden die Schwestern Unterstützung: Die Stadt Passau richtete Sprachkurse ein, auch die evangelische Gemeinde, ein engagierter Helferkreis aus dem Stadtviertel und ehemalige Schülerinnen standen den Schwestern und ihren neuen Nachbarinnen zur Seite.

Zum ersten Mal im Kreißsaal

In den vergangenen drei Jahren haben die Schwestern viele neue Erfahrungen gemacht. „Ich habe so viele Pflaster auf aufgeschlagene Knie geklebt, dass ich aufgehört habe zu zählen“, berichtet Sr. Martina. Auch Fahrten zum Kinderarzt und sogar in den Kreißsaal gehörten schon dazu. Außerdem haben die Schwestern gelernt, wann die Untersuchungen für Kinder anstehen und erinnern die Mütter rechtzeitig an die Termine. Mittlerweile leben acht Frauen mit ihren Kindern direkt neben den Schwestern. Sie können immer an der Pforte klopfen und um Rat oder nach Unterstützung fragen.

Besonders schön ist es für die Schwestern zu sehen, wie ihnen die sichere Wohnung und die freundliche Umgebung hilft. „Viele Frauen, die zu uns kommen, sind traumatisiert. Sie haben in ihrer Heimat, aber auch auf der Flucht schreckliche Dinge erlebt“, sagt Sr. Manuela. „Wenn sie sich hier einleben, beginnen sie aufzutauen. Manche lächeln nach Wochen das erste Mal wieder. Besonders freuen sich die Schwestern, wenn eine der Frauen eine eigene Wohnung findet und dadurch einen weiteren Schritt zur Integration machen kann. Die Räume bleiben jedoch nie lange leer. „Einige ehemaliger Bewohnerinnen kommen uns ab und zu besuchen“, freuen sich die Schwestern – ein Zeichen dafür, dass hier dauerhafte Beziehungen gewachsen sind.

Herausforderungen annehmen

Gibt es auch Probleme? Natürlich. Manche Frauen könnten sich beim Deutschlernen mehr anstrengen, andere sind so zurückhaltend, dass sie nur schwer Kontakte knüpfen. Auch die Bürokratie war am Anfang herausfordernd. Sr. Franziska kümmert sich um die Abrechnung der Nebenkosten, die die Bezirksregierung bezahlt. Dieser kann sie aber eine gute Zusammenarbeit bescheinigen.

Andere Probleme entstehen durch die oft lange ungeklärte Aufenthaltssituation der Mütter. „Eine Frau, die hier lebt, hat eine schwerst-mehrfach behinderte Tochter. In Albanien haben die Menschen in ihrem Dorf ihre Fensterscheiben eingeworfen, weil sie das behinderte Kind nicht in ihrem Dorf haben wollten. Der Vater ließ die Familie im Stich, da wurde die Verfolgung noch schlimmer“, berichtet Sr. Manuela. Nun hat die Mutter eine Duldung erhalten. „Da ist es nicht immer einfach, ihr Hoffnung für die Zukunft zu machen.“

Auch die Wohnungssuche gestaltet sich immer schwieriger. Lange schon wartet eine nigerianische Mutter mit zwei kleinen Kindern darauf. Von ihrem Flüchtlingsstatus her dürfte sie längst ausziehen. Auch da heißt es, immer wieder neu mitsuchen und zur Geduld ermutigen.

Bezüglich der praktischen Hausordnung – Gebrauch der gemeinsamen Küche, der Waschmaschinen, der Reinigungsgeräte, des Verbrauchs von Wärme und Strom, der Mülltrennung – prallen manchmal Welten aneinander. Da muss Sr. Martina mit viel Geduld und freundlichen Ermahnungen vorgehen.

Eine Umarmung in der Innenstadt

Kaddyatou (Name auf Wunsch der jungen Mutter geändert) kommt aus Somalia. Mit ihren beiden kleinen Söhnen floh sie vor dem Bürgerkrieg. Über zwei Jahre dauerte ihre Odyssee. Sie freut sich, dass es einen Deutschkurs direkt hier im Haus gibt. Anfangs war sie überrascht, dass sie Ordensfrauen als Nachbarinnen hatte. Aber schnell hat sie festgestellt, wie schön es ist, sich mit anderen Frauen auszutauschen und im Notfall auch Hilfe zu bekommen. Inzwischen besuchen ihre Kinder den Kindergarten bzw. die Kinderkrippe. Täglich bringt sie sie in die Stadt hinunter. Wenn sie dann unterwegs eine Schwester der CJ sehen, rennen die Kinder auf sie zu und umarmen sie – zum Erstaunen der Passanten!

Bleibt nur noch zu klären, wie das denn jetzt mit dem ‚Oma‘-Titel ist. „Anfangs gab es hier mehrere Kinder aus Syrien, die irgendwann anfingen, mich ‚Oma Manuela‘ zu nennen. Ich habe nachgefragt, wie sie darauf kommen. Da haben sie mir erzählt, dass ihre Oma in Syrien immer ein schwarzes Kopftuch trug. Unsere Schleier sehen für die Kinder genauso aus und so wurden wir alle zu Omas.“

Hoffen wider alle Hoffnung

Seit November führt Sr. Gudula Bonell als neue Oberin der Kommunität die Arbeit von Sr. Manuela weiter, weiterhin zusammen mit Sr. Martina und Sr. Sebalda, die besonders in die Sorge für die Frauen einbezogen sind, aber auch mit allen anderen Schwestern, die vor allem durch Interesse und Gebet die Anliegen und Probleme mittragen.

Das ist bitter nötig, denn „das Klima ist rauer geworden“, was man in der Politik unschwer verfolgen kann. Seit Sommer 2018 gab es keinen Wechsel in der Belegung des Hauses mehr, denn drei Frauen mit Kindern finden keine Wohnung und über fünf Frauen hängt das Damoklesschwert der Abschiebung. Diese „gelben Briefe“ vom BAMF aushändigen zu müssen, gehört zu den schwersten Aufgaben. Dann heißt es trösten, ermutigen, alle möglichen Beratungsstellen aufsuchen, die kompetenten Ehrenamtlichen vom Helferkreis anrufen, mit Rechtsanwälten Kontakt aufnehmen, damit Klage eingereicht werden kann. Wie gut ist es da, sich in der mitschwesterlichen Gebetsgemeinschaft geborgen zu wissen!