Eine Frau, die nicht aufgibt: MaryWard400

Das Bild von Mary Ward als Pilgerin erinnert an ihre erste große Romreise vor 400 jahren.
© Robert Kiderle

Vor 400 Jahren, am 21. Oktober 1621, unternimmt Mary Ward eine abenteuerliche Reise zu Fuß von Lüttich nach Rom.

Sie konnte nicht länger warten. Der Auftrag, den Mary Ward schon 1611 von Gott erhalten hatte, war klar und eindeutig: Sie sollte einen weiblichen Orden gründen, und zwar nach der Regel der Jesuiten, mit Ausnahme der priesterlichen Dienste.

Für ein solches Unternehmen aber hätte der Zeitpunkt nicht ungünstiger sein können. Denn in der Folge des Konzils von Trient waren wenige Jahrzehnte zuvor durch eine rigorose Verschärfung der Klausur alle Frauenklöster quasi unter Quarantäne gestellt worden. Die Frauen um Mary Ward aber sollten frei sein für Seelsorge, Mädchenerziehung usw., und zwar ohne besondere Ordenstracht.

Dazu kam, dass sie nicht, wie üblich, dem jeweiligen Diözesanbischof unterstellt sein wollten, sondern nur ihrer eigenen Generaloberin, einer Frau also! All das – größte Hindernisse in den Augen der damaligen geistlichen Männerwelt. Und so hagelte es nur so von Empörung und Anklagen, gemischt mit Verleumdungen und Falschmeldungen nach Rom.

Zwar konnte sie mit Unterstützung von geistlicher und weltlicher Seite erste Niederlassungen gründen in St. Omer, Trier, Köln und Lüttich. Ihre Schulen fanden großen Zuspruch, die Raumnot wurde laufend größer, der Schuldenberg aber auch. Immer öfter stand der Gerichtsvollzieher vor der Tür. Andererseits hatten sich immer mehr meist adelige junge Frauen ihrer Gemeinschaft angeschlossen. Doch deren Eltern waren bald nicht mehr bereit, ohne kirchliche Anerkennung der Gemeinschaft ihre Töchter mitsamt ihrer Mitgift einer ungewissen Zukunft zu überlassen.

Nun sah sie keinen anderen Ausweg, als persönlich vor dem Hl. Stuhl zu erscheinen, um alles richtigzustellen und den Papst von ihrem göttlichen Auftrag zu überzeugen.

Zu den wichtigsten Vorbereitungen gehörten die Empfehlungsschreiben einflussreicher Personen und ein Pass der Infantin Isabella Clara Eugenia, Regentin der spanischen Niederlande, mit dem die Reisegruppe ungehindert über alle Grenzen kommen konnte. Sie waren insgesamt neun Personen: neben Mary Ward noch fünf ihrer ersten Gefährtinnen, ein Priester, ein adeliger Unterstützer aus der Verwandtschaft und ein Diener. Auch zwei Pferde hatten sie dabei, für das Gepäck und die jeweils am meisten ermüdete Person. Die Infantin hatte auch geraten, aus Gründen der Sicherheit in der damals üblichen Pilgertracht zu reisen, mit großer Pelerine, Pilgerhut, Rosenkranz und Pilgerstab.

Nun lag ein Weg von nicht ganz 2000 Kilometern vor ihnen, und da sie am Heiligen Abend in Rom sein wollten, waren pro Tag etwa 30 km zurückzulegen. Und es ging auf den Winter zu und über die Alpen! Aber in dieser Jahreszeit ruhten die Waffen des schon drei Jahre dauernden Dreißigjährigen Krieges.

Am 21. Oktober machten sie sich in Lüttich auf den Weg. Dieser führte über Nancy, Lyon, den Mont Cenis, Turin, Mailand, Bologna, Loreto, Assisi, Spoleto, Terni und dann auf der Via Flaminia nach Rom. Nur drei Mal wurde eine eintägige Pause eingelegt, um wichtige Briefe zu schreiben, das Grab des hl. Borromäus in Mailand zu besuchen und in der Santa Casa in Loreto zu beten. Es gibt Berichte über Schneestürme, in denen sie die Orientierung verloren, und über dubiose Unterkünfte. Einmal wurden sie auch bestohlen.

Nähere Einzelheiten sind uns leider nicht überliefert, z.B. wie sie es schafften, jeden Tag – ohne Telefon, Google und Navi - eine Unterkunft und Essen für 9 Personen sowie Futter für die Tiere zu bekommen. Mary Ward litt außerdem an einem Steinleiden, was ihr die Strapazen sicher nicht erleichterte.

Doch holten sie sich die innere Kraft dafür bei ihrem sorgfältig gewählten Gebetsprogramm, gemeinsam oder einzeln in Stille, das jeden Abend mit einem Te Deum endete. So kamen sie wie geplant am Heiligen Abend zwar ohne Geld, aber wohlbehalten in St. Peter an.

Schon am 28. Dezember hatte Mary Ward ihre erste Audienz beim Papst und im Laufe einer Woche Gespräche mit dem Jesuitengeneral und wichtigen Kardinälen. Rastlos arbeitete sie für ihren Auftrag, um keine Zeit zu verlieren.

So konnte sie zwar einige Niederlassungen und Schulen gründen in Rom, Perugia, Neapel, und nach weiteren beschwerlichen Reisen auch in München und Wien. Aber ihre Feinde waren zu mächtig und das Frauenbild der Zeit zu negativ. Selbst die Jesuiten hatten Sorge, belächelt zu werden, sollten die als „Jesuitinnen“ verlachten Frauen sich ihnen näher anschließen wollen, was Mary Ward aber keineswegs beabsichtigte.

So kam am 13. Januar 1631 das - wie es schien - endgültige Aus in Form einer äußerst scharf formulierten päpstlichen Bulle Urbans VIII. Das „gefährliche Unkraut“ sollte „mit der Wurzel ausgerissen und vernichtet“ werden. Denn sie hätten „nach Belieben umherschweifend“ Tätigkeiten ausgeübt, „die ihrem Geschlecht, ihrem schwachen Verstand, der weiblichen Bescheidenheit und vor allem der jungfräulichen Sittsamkeit nicht geziemen.“  Alle Niederlassungen wurden aufgehoben und jedes gemeinschaftliche Leben verboten.

Bei ihrem Tod waren nur noch ein paar kleine Gruppen übriggeblieben, aber Mary war überzeugt, zum einen, dass Gott zu seinem Wort steht, und zum anderen, „dass auch Frauen Großes leisten können“.  Ihre Gefährtinnen ermutigte sie: „Es heißt: ‚Die Wahrheit des Herrn währt in Ewigkeit‘. Es heißt nicht: die Wahrheit der Menschen, der Männer oder Frauen“. Und sie hatte Recht. Wenn es auch fast 400 Jahre dauerte, bis ihre Gründung 2004 die Verfassung (und auch den Namen) erhielt, für die sie ihr Leben lang gekämpft hatte. Man ist versucht, an die Weisheit des Taoteking zu denken: „Das Weiche siegt, das Harte unterliegt.“

Mary Ward war stets gehorsam und beugte sich allen Anordnungen ihrer Mutter Kirche. In der Sache nachgegeben hat sie jedoch nicht.

Text: Maria Singer, Gefährtin Mary Wards