Das Pflegeheim St. Vinzenz in Augsburg

Es gibt wohl wenige Menschen, die sich wirklich freuen, wenn der Umzug ins Pflegeheim ansteht. Aber wenn dieser Schritt erst getan ist, kommt bei vielen eine Erleichterung, manchmal sogar eine regelrechte Leichtigkeit auf. So erging es auch Sr. M. Sigrid Wiker CJ, die seit gut vier Jahren im Pflegeheim St. Vinzenz in Augsburg-Göggingen lebt.
Betrieben wird das Pflegeheim von den Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul, Mutterhaus Augsburg, die nahe des Augsburger Zentrums im Stadtteil Göggingen 2014 einen großen Gebäudekomplex neu errichtet haben, der den Lebensrealitäten einer alternden Gemeinschaft Rechnung trägt: Neben den Verwaltungs- und der Klosteranlage und Kirche gibt es auch ein großes und großzügiges Pflegeheim für die Schwestern, die nicht mehr ohne Weiteres alleine zurechtkommen.
In dem Komplex mit vier Wohnbereichen (benannt nach den Heiligen Afra, Barbara, Katharina und Rosalie) gibt es insgesamt 56 Pflegeplätze. Zwölf davon bewohnen Schwestern der Congregatio Jesu. Eine von ihnen ist Sr. Sigrid, die am 1. Juni 2021 als erste CJ-Schwester dort eingezogen ist. Diesen Schritt hat sie seitdem kein einziges Mal bereut, erzählt sie in ihrem großzügigen Zimmer.
Reger Austausch im Haus und außerhalb
Die zwölf Schwestern der CJ, die in St. Vinzenz leben, haben eine enge Beziehung zueinander und besuchen einander ständig. Und auch der Kontakt zur Augsburger Kommunität ist rege: Mindestens einmal wöchentlich kommt eine der dort lebenden Schwestern zu Besuch, erledigt Besorgungen oder bringt etwas mit. Um Arztbesuche kümmert sich dagegen die Pflege vor Ort. Der Hausarzt kommt zweimal wöchentlich auch ein Zahnarzt ist gleich um die nächste Ecke. Und wenn die Wege einmal weiter sind, steht ein Ruftaxi zur Verfügung.
Dass St. Vinzenz kein durchschnittliches Heim ist, merkt man besonders an den vielfältigen spirituellen Angeboten, die auch die Schwestern der CJ gerne in Anspruch nehmen: Täglich wird in der Hauskapelle eine heilige Messe gefeiert und mehrere Gebetszeiten angeboten. All diese spirituellen Angebote werden auch im hauseigenen TV-Programm übertragen für all die Bewohnerinnen, die nicht mehr mobil genug sind, um vor Ort daran teil zu nehmen.
Das Pflegeheim ist bewusst als ein spiritueller Ort gestaltet, an dem die Schwestern nach einem arbeitsreichen Leben einen würdigen und verdienten Lebensabend verbringen können. Die Hauskapelle ist dabei ein zentraler Ort. Sie ist nicht nur Raum für liturgische Feiern, sondern auch ein Ort der Sammlung, des Verweilens und der inneren Einkehr. Die Labyrinthe im Fußboden und im Glasfenster sind ein Symbol des menschlichen Lebens, das ähnlich wie im Labyrinth, häufig über Umwege zum Ziel führt.

Die Pflege in St. Vinzenz orientiert sich nicht allein an körperlichen Bedürfnissen, sondern nimmt den ganzen Menschen in den Blick – mit seiner Biografie, seiner Ordensgeschichte und seiner Beziehung zu Gott.
Anders als noch vor einigen Jahren sind in der Pflege inzwischen nur noch weltliche Angestellte. Aber für Sr. Sigrid macht das nicht viel Unterschied. Denn freundlich und zugewandt sind auch sie.
Sr. Sigrid genießt inzwischen vor allem die große Freiheit, die sie so früher nie hatte: Abgesehen von den Mahlzeiten und der heiligen Messe, die natürlich zu festen Zeiten stattfinden, sagt ihr heute niemand mehr, was sie zu tun und zu lassen hatte. Ihr früheres Leben dagegen war immer von Termindruck geprägt, besonders in den 30 Jahren als Schulsekretärin am Gymnasium. Später war sie Oberin in Neuburg an der Donau und dann fünf Jahre lang mit verschiedenen Aufgaben in Simbach betreut. Irgendwann ging ihr dann doch die Kraft aus und so kam sie zu dem Entschluss, ins Pflegeheim umzuziehen.

Heute blickt sie aus dem Fenster ihres Zimmers und blickt in ihr „kleines Paradies“, wie sie den Ausblick beschreibt. Die Außenanlagen von St. Vinzenz sind sehr gepflegt und wunderschön angelegt. Noch sind die Bäume eher klein und die Blickachsen führen nahezu ungestört ins Weite und dabei immer wieder auf die große Kreuz-Skulptur in der Mitte der Anlage. Ihre Gartenrunde durch das etwa 36 000 Quadratmeter große Gelände hat Sr. Sigrid einmal abgemessen. Wenn sie die große Runde dreht, ist sie fast einen Kilometer unterwegs. Das reicht, um sich einmal gründlich auszulüften. Und dann wieder in ihr ganz persönliches Paradies ganz ohne Termin-Druck zurück zu kehren.
Text und Bilder: Christina Waechter





